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Gewerkschaft GPA Tirol zeigt auf: Tabuthema Gewalt im Gesundheits-, Pflege- und Sozialbereich

Corona-Krise verschärft ohnehin schon schwierige Situation

Gewalt hat viele Formen – von körperlicher Gewalt über psychischer bzw. verbaler Gewalt bis hin zur sexuellen Gewalt. „Gewalt und Aggressionen gab es im Gesundheits-, Pflege und Sozialbereich schon immer, nur war es bisher eher ein Tabuthema. Körperliche Angriffe beinhalten oft Kratzen oder Schläge, psychische Gewalt äußerst sich häufig in Verspotten, Auslachen, Drohungen oder Demütigungen. Auch sexuelle Gewalt kommt leider sehr häufig vor, das reicht von anzüglichen Bemerkungen bis hin zu unerwünschten körperlichen Berührungen. Gerade durch die sehr herausfordernde Corona-Situation ist ein Anstieg von Gewalt und Aggressionen erkennbar“, weiß Margit Luxner, Vorsitzende des GPA-Gesundheits- und Pflegebereichs Tirol und selbst Betriebsrätin in einem Tiroler Pflegeheim, zu berichten.

 

Weitere Branchenflucht befürchtet

Sie betont: „Neben den berufsbedingt außerordentlich hohen Belastungen sorgt Gewalt jeglicher Form für zusätzlich erschwerte Arbeitsbedingungen. Wir müssen uns dringend und rasch dieser Problematik annehmen, denn gerade in diesen Bereichen gilt es, die Beschäftigten in den Betrieben zu schützen bzw. zu unterstützen. Andernfalls steht zu befürchten, dass die ohnehin vorherrschende Branchenflucht weiter vorangeht. Der Gesundheits-, Pflege- und Sozialbereich muss daher noch lauter werden, gerade was Arbeitszeitverkürzung, mehr Personal und bessere Bezahlung angeht, um hier einen Ausgleich für die teils schwierigen Arbeitsbedingungen zu schaffen.“

 

Positive Beispiele als Vorbild nehmen

„Häufig ist Gewalt am Arbeitsplatz ein Resultat von Überforderung und Ausweglosigkeit. Grenzverletzungen, Aggression und Gewalt können von MitarbeiterInnen wie auch von KlientInnen bzw. HeimbewohnerInnen ausgehen, aber auch Mobbing und Bossing innerhalb der Belegschaft kann vorkommen“, beschreibt Sonja Föger-Kalchschmied, Betriebsratsvorsitzende der Lebenshilfe Tirol, die Situation. Sie ergänzt: „Durch eine starke Tabuisierung des Themas Gewalt in Betreuungsberufen, nach dem Motto ‚wenn man nicht davon spricht, gibt es das Problem nicht‘ bleibt diese schwerwiegende Problematik häufig im Verborgenen. Die Lebenshilfe Tirol hat mit der Errichtung einer internen Gewaltschutzstelle und der Implementierung von Leitlinien zum Gewaltschutz einen mutigen und notwendigen Schritt gemacht und setzt gleichzeitig auch Schwerpunkte bei der Prävention, Beratung und Fortbildung zum Thema Gewalt.“

 

Supervisionen, mehr Personal, Arbeitszeitverkürzung

Unternehmen wie die Lebenshilfe Tirol können hier im Sozialbereich als Vorbild dienen. „Es ist wichtig, dass Betriebe mit dem Thema Gewalt am Arbeitsplatz offen und transparent umgehen und dass dafür klare Spielregeln festgelegt werden. Wir appellieren daher an Arbeitgeber und BetriebsrätInnen, das Thema Gewalt in Betriebsvereinbarungen klar zu regeln. So sind beispielsweise Vereinbarungen zu Fortbildungen und Supervisionen möglich“, so Ralf Wiestner, Sekretär der Gewerkschaft GPA Tirol. Er erinnert die Arbeitgeberseite gleichzeitig an ihre Fürsorgepflicht gegenüber den Beschäftigten. Generell führe an einer Entlastung des Gesundheitspersonals in Form einer Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich kein Weg vorbei. „Die Beschäftigten haben die Belastungsgrenze längst überschritten. Um den Pflegeberuf wieder attraktiver zu gestalten, braucht es mehr Personal und eine höhere Entlohnung. Hier ist die Politik am Zug. Auch bei der Auszahlung des Corona-Bonus ist man säumig – mir ist bis dato nichts bekannt, dass in Tirol in den betreffenden Branchen MitarbeiterInnen die versprochene finanzielle Wertschätzung erhalten hätten. Gleichzeitig muss der Bonus unter anderem auf den Sozialbereich ausgedehnt werden, denn dort wurde unter genauso erschwerten Bedingungen gearbeitet wie im Pflegebereich“, fordert der Gewerkschafter abschließend.