ÖGB Tirol: Sonja Föger-Kalchschmied zur geschäftsführenden ÖGB-Landesvorsitzenden gewählt
„Ein krisenfestes Gesundheits- und Pflegesystem ist keine Kür, sondern eine Pflicht!“
Im Rahmen der heutigen (Montag) ÖGB-Landesvorstandssitzung wählten die stimmberechtigten Mitglieder die bisherige stellvertretende ÖGB-Landesvorsitzende und ÖGB-Landesfrauenvorsitzende Sonja Föger-Kalchschmied mit 88,4 Prozent zur geschäftsführenden ÖGB-Landesvorsitzenden. Sie ist damit die erste Frau an der Spitze einer ÖGB-Landesorganisation. Als erste Schwerpunktthemen nannte sie die Forcierung von Betriebsratsgründungen und die aktuellen Herausforderungen in den Bereichen Arbeitsmarkt, Pflege, Gesundheit und Geschlechtergerechtigkeit. Dabei will sie den bisherigen konstruktiven Weg der Zusammenarbeit sowohl mit den Gewerkschaften als auch mit Sozialpartnern und Politikvertreter:innen fortsetzen; für Mai wird der ÖGB Tirol zudem Vorschläge zur Bewältigung der aktuell schwierigen Situation im Pflegebereich vorlegen.
Landesgeschäftsführer Benjamin Praxmarer, der zuletzt interimistisch die Geschäfte des ÖGB Tirol gemeinsam mit den sechs gewählten Stellvertreter:innen geführt hatte, nachdem der bisherige ÖGB-Landesvorsitzende Philip Wohlgemuth seine Funktion nach sieben Jahren am 19. Dezember mit sofortiger Wirkung aufgrund seiner Angelobung zum 1. Landeshauptmannstellvertreter zurückgelegt hatte, gratuliert der neugewählten Vorsitzenden: „Mit Sonja Föger-Kalchschmied haben wir eine Gewerkschafterin mit viel Herzblut, Engagement und großer Erfahrung für den Vorsitz gewinnen können. Ich weiß die Vertretung der Arbeitnehmer:innen-Anliegen bei ihr in besten Händen und freue mich auf die Zusammenarbeit!“ Der Rückhalt ist auch innerhalb der Gewerkschaft groß: Das Wahlergebnis von 88,4 Prozent spricht hier eine deutliche Sprache. Praxmarer stellte zudem angesichts der zuletzt von einzelnen Parteien verbreiteten Falschmeldungen klar: „Die Funktion der ÖGB-Landesvorsitzenden ist ein Ehrenamt und wird folglich nur mit einer minimalen Aufwandsentschädigung von 365 Euro monatlich zwölfmal im Jahr abgegolten.“
Betriebsräte und Gewerkschaft als starkes Tandem
Föger-Kalchschmied studierte Psychologie und ist seit Jahren im Sozialbereich tätig. 2014 wurde sie Betriebsrätin, vier Jahre später Betriebsratsvorsitzende bei der Lebenshilfe Tirol. Nach zahlreichen Funktionen bei der Gewerkschaft wurde sie im Frühjahr 2022 Frauenvorsitzende des ÖGB Tirol und gleichzeitig stellvertretende ÖGB-Landesvorsitzende, zudem war sie von Oktober 2022 bis Dezember 2024 Landtagsabgeordnete für die SPÖ. Sie bedankte sich in einer ersten Reaktion: „Ich freue mich sehr über das in mich gesetzt Vertrauen und werden sofort mit der Arbeit beginnen. Auf uns warten zahlreiche Herausforderungen, die wir nur gemeinsam lösen können. Unser Ziel ist eine sozial gerechte, zukunftssichere Gesellschaft. Dazu braucht es den Dialog mit allen Beteiligten – aber auch den Mut, notwendige Maßnahmen schnell umzusetzen.“ Dabei setzt sie nicht zuletzt auf die gewerkschaftliche Basis: „Ein starkes Tandem aus Gewerkschaft und Betriebsräten ist unverzichtbar, um die Rechte der Arbeitnehmer:innen zu stärken. Das gilt ebenso für unsere 66.000 Mitglieder: Unsere Mitglieder sind unsere Stärke – und wir ihre Stimme!“
Arbeitsmarkt: Herausforderungen und Lösungen
„Wir müssen das Arbeitskräftepotenzial voll ausschöpfen – und dafür braucht es Investitionen in Bildung, Weiterbildung und alternsgerechte Arbeitsplätze, mehr Förderungen im MINT-Bereich insbesondere für Frauen sowie die Schaffung alternsgerechter Arbeitsplätze. Es gilt: Wer heute in Bildung investiert, bekommt morgen ein Vielfaches zurück“, so Föger-Kalchschmied. Hier will sie zudem besonderes Augenmerk darauflegen, dass die Rahmenbedingungen für Vollzeitarbeit geschaffen werden. „Das bedeutet auch eine faire Verteilung der Care-Arbeit, denn nach wie vor schultern vor allem Frauen diesen Bereich. Die Politik ist gefordert, endlich die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen“.
Kinderbetreuung und Pflege: Dringender Handlungsbedarf
Die neu gewählte ÖGB-Landesvorsitzende begrüßt die aktuelle Offensive im Bereich der Kinderbetreuung auf Landesebene, diese müsse jedoch rasch vorangetrieben werden: „Ich erwarte mir, dass der flächendeckende Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen Ende des Jahres in Tirol abgeschlossen ist. Dafür braucht es zudem eine Erweiterung der Öffnungszeiten, was nur mit einer breiten Personaloffensive gelingen kann.“ Dasselbe gilt auch für den Pflege-, Gesundheits- und Sozialbereich: „Pflegekräfte rasen aktuell mit Vollgas ins Burn-out, das ist schlichtweg inakzeptabel. Ohne sofortige Maßnahmen droht uns ein Zusammenbruch des Pflege-, Gesundheits- und Sozialsystems – das können und dürfen wir nicht hinnehmen!“ Es brauche als Sofortmaßnahmen mehr Personal und finanzielle Ressourcen für Spitäler und die Primärversorgung, eine gesetzliche Verankerung der Prävention arbeitsbedingter Erkrankungen sowie einen verstärkten Fokus auf die psychosoziale Versorgung. „Ein krisenfestes Gesundheitssystem ist keine Kür, sondern eine Pflicht – für die Arbeitnehmer:innen genauso wie für die Gesellschaft insgesamt“, stellt Föger-Kalchschmied klar.
Geschlechtergerechtigkeit bleibe ein zentraler Pfeiler ihrer Arbeit, so Föger-Kalchschmied. „Gleichberechtigung muss auf allen Ebenen passieren, wichtige Eckpunkte sind Gehaltstransparenz und verpflichtende Einkommensberichte bereits für Betriebe mit mindestens 100 Beschäftigten, mehr Frauen in Führungspositionen sowie die Neubewertung und die damit einhergehende bessere Bezahlung frauendominierter Berufe.
Weg aus der Krise: Investitionen statt Sparpakete
„In Zeiten von Krisen braucht es Stabilität und Verantwortung, dieser muss die künftige Bundesregierung nachkommen“, mahnt Föger-Kalchschmied ein. Steigende Energiepreise, Klimawandel und Fachkräftebedarf – Österreich steht vor großen Herausforderungen. „Es braucht Investitionen, um Arbeitsplätze zu sichern und das Land zukunftsfit zu machen. Ein Sparpaket würde die Wirtschaft bremsen und das Sozialsystem schwächen. Vor allem gilt es, das hohe Budgetdefizit in den Griff zu bekommen, die steigenden Energiepreise und Wohnkosten zu bremsen und die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Für die Industrie brauchen wir jetzt Maßnahmen wie Kurzarbeit und Arbeitsstiftungen, aber auch einfachere Förderungen, um den Wandel sozial abzufedern. Um diese wichtigen Investitionen stemmen zu können, braucht es eine gerechtere Steuer- und Abgabenpolitik“, so die geschäftsführende ÖGB-Landesvorsitzende.