Nachruf für Franz Murmann
ZS a. D. der Gewerkschaft Druck und Papier
Franz Murmann wurde am 16. Mai 1939 geboren, in das dunkelste Kapitel unserer Geschichte. Seine ersten sechs Jahre waren geprägt von Krieg, von Entbehrung, Hunger, Bombenangriffe und einer zerstörten Stadt.
Sein Vater war Arbeiter bei der Arbeiter Zeitung, Mitglied der SDAP und Gewerkschaft, verlor seine Arbeit durch die Austrofaschisten und war im Widerstand gegen das Dollfuß Regime und in der Hitlerdiktatur in einem Konzentrationslager inhaftiert. Er überstand mit viel Glück das Lager und den Zweiten Weltkrieg, die Mutter kümmerte sich in den Kriegsjahren als Alleinerzieherin um den Buben. Im letzten Kriegsjahr wurde ihre Wohnung durch einen Bombentreffer zerstört und Franz zog mit seiner Mutter kurz nach Kärnten.
Nach Kriegsende bekam die Familie Murmann eine Wohnung in Wien zugewiesen und Franz begann 1945 mit der Volksschule. Nach Volks- und Hauptschulbesuch begann er beim Wiener Verlag die Lehrzeit zum Schriftsetzer. Der Vater war sicher ein Vorbild für Franz in Politik und im Beruf, war doch sein Vater wieder beim Vorwärts Verlag, der Druckerei der SPÖ, beschäftigt. So gesehen war es nur logisch, dass Franz Mitglied der Gewerkschaft Druck und Papier wie auch der SPÖ wurde. Von den Roten Falken bis zum Mitglied des Bezirksvorstandes seines Wohnbezirks Margareten bekleidete Franz als Funktionär viele FSG und SPÖ Positionen.
Nach elf Jahren beim Wiener Verlag und einem einmonatigen Kurzbesuch in der ÖBB Hausdruckerei – Franz betätigte sich bereits gewerkschaftlich in der Fachgruppe Handsatz – heuerte er beim Vorwärts Verlag an und damit begann auch seine eigentliche Gewerkschaftskarriere.
1969 wurde Franz zum Vorsitzenden Stellvertreter der Fachgruppe Satz und in den Betriebsrat des Vorwärts gewählt.
1972 wurde er Stellvertreter des legendären Betriebsratsvorsitzenden Franz Schreier und 1977 Vorsitzender der Kontrollkommission der Druck und Papier und damit Mitglied des Zentralvorstandes unserer Gewerkschaft.
1985 verlässt Franz Murmann seinen Vorwärts Verlag und die Arbeiter Zeitung und kandidierte für das Amt des Zentralsekretärs seiner Gewerkschaft, wo er von den Delegierten mit großer Mehrheit gewählt wurde.
Meine Wege kreuzten sich mit denen von Franz bereits sehr früh. 1977 lernte ich Franz bei einem Zentralvorstandsseminar kennen und schätzen. Seine bedächtige, ruhige und freundliche Art nahm mich für ihn ein, noch ahnte ich nicht, wie nahe ich mit Franz noch zusammenarbeiten würde.
Franz machte in seiner Vorwärts Zeit Kurse zum EDV-System-Operator, damit war er einer der wenigen Experten – gemeinsam mit dem Chefredakteur der Gewerkschaft Kollegen Johann Bauer und den Vorsitzenden Herbert Bruna - in der Zeit der größten arbeitstechnischen Umstellung - vom Bleisatz zum Lichtsatz – die unsere Gewerkschaft zu bewältigen hatte. Im gewonnenen Kampf um den ITS Kollektivvertrag war Franz einer derer, die die Kollegen von der Notwendigkeit dieses Kollektivvertrages überzeugen konnte.
Auch in der Sozialversicherung bekleidete Franz ein hohes Amt. So war er Obmann Stellvertreter im Landesstellenausschuss der damaligen Pensionsversicherung der Arbeiter.
1993 wurde ich zum Gewerkschaftsvorsitzenden gewählt und hatte in Franz einen treuen, kollegialen Freund und Mitstreiter als Zentralsekretär. Seine Bedächtigkeit war mir immer eine Stütze bei meinen Überlegungen und Entscheidungen. Meine oftmals durch Emotionen hervorgerufenen Entscheidungsgrundlagen wurden von Franz immer hinterfragt, mit mir diskutiert und bewegten mich öfter zu notwendigen Korrekturen. Er war es auch, der die Knochenarbeit vor, bei und nach den Kollektivvertragsverhandlungen machte. Hunderte juristisch aufbereitete Texte und deren Korrekturen mussten geschrieben, auf Sinnhaftigkeit geprüft und für die Druckerei vorbereitet werden. Dafür und für tausend andere wichtige Notwendigkeiten danke ich ihm noch heute. Ohne seine Mitwirkung wäre die Gewerkschaft Druck und Papier nicht so erfolgreich gewesen.
Die Gewerkschaft und die Republik ehrte Franz auch mit hohen Auszeichnungen. So bekam er das "Große Ehrenzeichen" für Verdienste um die Republik Österreich und das "Silbernes Verdienstzeichen" des Landes Wien. Die Karl Höger Medaille, das goldene Ehrenzeichen seiner Gewerkschaft und die Johann Böhm Medaille des Österreichischen Gewerkschaftsbundes.
Unsere Zusammenarbeit war auch im Privatleben eine innige und sehr gute, so machten wir mit unseren Ehefrauen einen gemeinsamen Urlaub in der Schweiz. Die Schweiz war sein bevorzugtes Urlaubsland. Die saubere Schweiz kam seinen Ordnungssinn sehr nahe und so nahm er auch alle notwendigen Dienstreisen in die Schweiz gerne an. Musste er ins „Ländle“ so fuhr er mindestens einmal nach St. Margarethen und ging in das dort anwesende Einkaufszentrum zum Shoppen. Selbstredend, dass in der Schweiz alles sauberer war als bei uns daheim. Als ich mit Franz einmal in Genf bei einem Gewerkschaftskongress war, meinte er in seiner trockenen Art: „Das ist ja nicht die wirkliche Schweiz, Genf gehört doch schon sprachlich zu Frankreich und daher kann man Genf nicht mit St. Gallen vergleichen, die Genfer sind eben etwas unordentlicher“.
Eines Tages am späten Abend bei unserem gemeinsamen Urlaub in Obertoggenburg am Fuße des Sentis in seiner geliebten Ostschweiz, machten italienische Kinder und Jugendliche von Urlaubsgästen noch weit nach 21 Uhr ziemlichen Radau, obwohl die Hotelhausordnung nach 21 Uhr sich Lärm verbat. Franz ging lachend zu Fenster und brüllte in tadellosem "Switzer" Dialekt „Nüne is“ in die Nacht hinaus. Augenblicklich verstummte der Lärm und ich hatte die seltene Gelegenheit, den lauten Murmann zu erleben. Franz setzte sich wieder zum Tisch und trank genussvoll sein Glas Bier aus.
Wir danken Dir für dein empathisches, soziales und menschliches Engagement, dass Du mit deiner Arbeit für die Arbeiterbewegung und unserer Kollegenschaft dienlich machtest.
Lieber Franz „Nüne“ ist´s und ein letztes Gott grüß` die Kunst.
Franz Bittner