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Mit Klarnamen gegen Hate-Speech?

Warum das „digitale Vermummungsverbot“ Hass im Netz nicht wesentlich eindämmen wird.

Adobe Stock

Vermutlich wünscht sich die (alte) Regierung derzeit eher ein privates Vermummungsgebot, als ein digitales Vermummungsverbot. Vor Kurzem noch wollte man es allerdings ganz genau wissen. Unter dem Schlagwort „digitales Vermummungsverbot“ stellte die Bundesregierung Anfang April 2019 einen Gesetzesentwurf namens „Sorgfalt und Verantwortung im Netz“ vor, der (Ehren-)Beleidigung und üble Nachrede im Netz einschränken soll. Wer sich auf online-Foren äußern möchte, muss in Zukunft dem Betreiber gegenüber die eigene Identität mittels Name und Adresse offenlegen. Die Betreiber müssen dann im Falle des Falles den Namen gegenüber jenen offenlegen, die beleidigt oder Opfer übler Nachrede wurden. Damit soll Hass im Netz hintangehalten werden. Die Gewerkschaft GPA hat sich dieses Gesetzesvorhaben näher angesehen.

Gelten soll das Gesetz längst nicht für sämtliche Plattformen, auf denen sich Menschen frei äußern können, sondern nur für jene die entweder

  • mehr als 100.000 registrierte Nutzer*innen haben oder
  • mehr Umsatz als 500.000 Euro im Jahr erzielen oder
  • wenn sie eine Presseförderung von mehr als 50.000 Euro erhalten
  • reine Bewertungsportale sind ausgenommen

Wettbewerbverzerrung?

Kleinere Foren oder Plattformen sollen also nicht von dem „Gesetz für Sorgfalt und Verantwortung im Netz“ umfasst sein. In der Praxis werden davon einerseits die online-Foren von Tageszeitungen wie dem Kurier oder dem Standard betroffen sein sowie große Social-Media-Foren wie facebook oder twitter, die nun nach den Vorstellungen der Regierung die Identität der NutzerInnen feststellen und ohne vorliegenden Anlass speichern müssen. Die somit frei Haus gelieferten personenbezogenen Daten der PosterInnen (Name, Adresse und Telefonnummer) sind für Facebook und Co wertvolles Datenmaterial mit dem weiter gearbeitet werden kann, wohingegen sie für Tageszeitungen eher zusätzlichen administrativen Aufwand darstellen, der ihnen nicht abgegolten wird. „Gerade einschlägig bekannte Plattformen mit weniger als 100.000 NutzerInnen auf denen regelmäßig mehr oder weniger rechtsradikales Gedankengut veröffentlich und dazu auch gepostet wird, wären davon nicht betroffen.“ merkt Michael Lohmeyer, Mitglied der Bundesvertretung der Journalistengewerkschaft, an „Das ist nicht nur inhaltlich absurd, es führt außerdem zu Wettbewerbsverzerrungen, weil diese Plattformen dann weder vom Aufwand noch von Sanktionen bedroht wären. Es ist auch nicht nachvollziehbar, warum etwa Bewertungsplattformen, die von Kommentarfunktionen geradezu leben, von derartigen Regelungen ausgenommen sein sollen.“

Treffsicherheit?

Adressat*innen des Gesetztesvorhabens sind die Plattformen, nicht die Hass-Postenden. Diejenigen, die Hasspostings schreiben, sind von den Sanktionen in dem Gesetz nicht betroffen. Profitieren sollen gemäß Regierungsvorstellung diejenigen, gegen die sich das Posting gerichtet hat. Allerdings war bei bisherigen Verfahren zu Hass-Postings das Herausbekommen der wahren Identität der Hass-Postenden meist weniger das Problem. Nach derzeitiger Gesetzeslage müssen Plattformen bereits jetzt die Namen der Verdächtigen offenlegen ( (§18 Abs 2 und 3 ECG ). In der Realität scheitert es eher daran, überhaupt eine Klage einzureichen, weil Opfer selbst die Kosten zu tragen haben oder es scheitert daran, einen Sachverhalt so zu erfassen, dass daraus eine Klage entstehen könnte oder es scheitert an den nicht ausreichenden Beweisen. Auch die Arbeiterkammer thematisiert in ihrer Stellungnahme den Umstand der problematischen Rechtsdurchsetzung: „Die Rechtsdurchsetzung dürfte in der Praxis auch seltener an „Vermummungs“-Absichten des Posters als an Beweisproblemen scheitern.“ – wie die Entscheidung im Fall „Sigrid Maurer“ zeigt.

Die geplante Pflicht zur Angabe der wahren Identität von Postenden würde dann etwas bringen, wenn sich Unmengen von Hass-Postern hinter alias-Namen verstecken würden, was aber selten der Fall ist. Dass der Gesetzentwurfes an dem generellen Problem etwas löst, darf bezweifelt werden – auch hinsichtlich der von der Regierung postulierten „De-Regulierung“ kann er nichts beitragen.

Dass auch Foren ohne Sitz in Österreich nun eine*n Ansprechpatner*in für derartige Angelegenheiten benennen müssen, ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung, der aber vom administrativen Aufwand (die Daten müssten ermittelt, überprüft, vor fremdem Zugriff geschützt aufbewahrt sowie bei Bedarf übermittelt werden) und den Sanktionen, die Plattform-Anbieter*innen drohen, wieder zunichte gemacht wird.

Datensparsamkeit?

Sämtliche Nutzer*innen von online-Foren müssten gemäß Gesetzesvorhaben von den jeweiligen Anbieter*innen erfasst werden, unabhängig davon ob tatsächlich der Verdacht auf ein Hass-Posting vorliegt. Diese anlasslose Sammlung personenbezogener Daten erinnert frappant an das Vorhaben der Vorratsdatenspeicherung, das 2014 vor den Europäischen Gerichtshof gebracht wurde. Damals urteilte der EuGH, dass derartige Daten „einen Zusammenhang mit schweren Straftaten aufweisen, zur Bekämpfung schwerer Straftaten beitragen oder eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit verhindern“ müssten. Der vorliegende Gesetzesentwurf verstößt daher gegen die herrschende EuGH- Judikatur zur Datenspeicherung.

Freie Meinungsäußerung?

Wenn alle, die auf einer größeren Plattform etwas posten möchten, zuvor Name und Handynummer angeben müssen, wird das vermutlich zu weniger Teilnahme an solchem online Meinungsaustausch führen. Damit wird implizit das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung eingeschränkt. Auch die Internetprovider Österreichs (ISPA) und die Datenschutz NGO epicenter.works sind wenig begeistert von dem Gesetz. Sie kritisieren, dass mit dem Gesetzesvorhaben die Anonymität im Internet nicht mehr gewährleistet ist, was wiederum negative Auswirkungen auf die Meinungsfreiheit habe.

Wenn man in der freien Meinungsäußerung eingeschränkt wird, kollidiert das mit den Menschenrechten. Die Gewerkschaft GPA sagt dazu: „Ein verfassungsrechtlich zulässiger Eingriff müsste gemäß Art 10 Abs 2 Europäische Menschenrechtskonvention notwendig und angemessen sein (…). Von einem notwendigen und angemessenen Eingriff kann gegenständlich keine Rede sein, da vorbeugend Registrierungsdaten der NutzerInnen gespeichert werden, obwohl noch nicht einmal ein Verdacht von strafbarem Verhalten besteht.“

Wie könnte man es besser machen?

Die Gewerkschaft GPA ist der Ansicht, dass wer ein effektives Vorgehen gegen Hasspostings aktiv vorantreiben möchte…

  • …an einem niederschwelligeren Zugang zur Rechtsprechung arbeiten müsste,
  • …die Presseförderung erhöhen müsste, damit die Diensteanbieter (zB Tageszeitungen) ihre Plattformen zum Meinungsaustausch optimal moderieren könnten,
  • …die Dotierung für die bestehende Hotline gegen Hass im Netz mit mehr Mitteln ausstatten müsste,
  • … den bestehenden Rechtsbestand (§ 18 ECG) besser zur Anwendung bringen müsste (z.B. indem die personellen Ressourcen im Justizministerium aufgestockt werden).

Und diese Meinung hat die Gewerkschaft GPA bzw. der ÖGB auch in einer Stellungnahme an das Parlament öffentlich kund getan – inklusive Klarnamen aber ganz ohne vorher den Plattformbetreiber mit zusätzlichen Angaben zu versorgen.

Der Beitrag ist erstmals am Blog arbeitundtechnik.gpa-djp.at erschienen.