Das Geschäft bleibt im Ort
Zwar wächst der Online-Handel, doch der stationäre Handel wird deshalb nicht verdrängt. Das Geschäft vor Ort kann sich durch Service und Flexibilität weiterhin bewähren.
Die „rund um die Uhr“-Einkäufe im Internet erfreuen sich weiterhin großer Beliebtheit – auch der österreichische Online-Handel profitiert. Werden derzeit rund zehn Prozent der Einzelhandelsumsätze in Österreich online erzielt, so wird bis 2025 ein Wachstum auf etwa 15 Prozent erwartet. „Aber der stationäre Handel wird weiterhin eine zentrale Rolle spielen“, erklärt Helmut Gahleitner, Referent in der Abteilung Wirtschaftspolitik der AK Wien. Zwar sind die Zuwächse im OnlineHandel derzeit höher, doch auch der stationäre Handel konnte in einigen Sparten mit einer Umsatzsteigerung aufwarten.
Signifikante Anteile von Buch bis Schuh
Besonders hohe Online-Umsatzanteile weisen die Bereiche Bücher/Zeitschriften, Spielwaren und Sportartikel auf. Mit einem Klick shoppen Kunden aber auch gerne in den Branchen Textil/Bekleidung, Elektro/Elektronikgeräte und Schuhe/Lederwaren. Klarer Vorteil: die riesige Produktvielfalt des Online-Handels. Attraktiv und verführerisch ist auch das oft gewährte kostenlose Rückgaberecht. Besonders häufig werden Kleidung und Schuhe zurückgeschickt. Skurril: Gleich 50 Prozent aller Lieferungen des Kleidungsversandhandels Zalando werden nach ein paar Tagen rückgängig gemacht, wie das Unternehmen selbst erklärt.
Beim Internetkauf weniger gefragt sind sperrige Güter, wie etwa Möbel. „Wenn ich ein Regal auspacke, zusammenbaue und dann erst merke, dass es mir nicht gefällt, dann ist es ein ziemlicher Aufwand, das Möbelstück wieder zurückzuschicken“, ist sich AK-Experte Gahleitner sicher.
Einkauf im Geschäft kommt nicht aus der Mode
Grenzenloses Wachstum gibt es auch im Online-Handel nicht – es zeigen sich durchaus Sättigungstendenzen: „Wenn der Online-Anteil etwa 30 Prozent beträgt, ist es schwierig ihn zu erhöhen. Da sind dann die Zuwachsraten sehr abgeflacht“, sagt Gahleitner. Das gilt für den Buchhandel, bei Elektrogeräten oder bei Spielwaren.
Für die meisten Branchen gilt, dass der Hauptumsatz weiterhin in den Geschäftslokalen gemacht wird. In letzter Zeit sind vor allem die Umsätze im Bau- und Heimwerker-Bedarf gestiegen, auch der Sportartikel-Handel verzeichnet einen Anstieg. Die Vorteile des Einkaufs im Geschäft: Die Kunden können die Ware sehen, fühlen und probieren, dazu kommt noch der persönliche Kontakt und die Fachberatung durch die VerkäuferInnen. Sie können die Ware sofort mitnehmen und müssen nicht eine Woche auf den Versand warten.
Realer Einkauf schön gemacht
Der direkte Einkauf im Laden oder in der Einkaufsstraße kann auch als Erlebnis inszeniert werden. Dafür ist auch das Zusammenspiel einiger Faktoren gefragt – so sollten Kommunen etwa dafür sorgen, dass Einkaufsstraßen belebter werden. AK-Experte Helmut Gahleitner: „Es gibt ja viele Menschen, die genießen es, schöne Dinge zu kaufen und die das gerne in ihrer Freizeit tun“. Einkaufen wird zum Freizeiterlebnis: Wenn etwa das Buchgeschäft auch ein Café in sich birgt, Lesungen stattfinden und Kommunikation gefördert wird, zieht das auch andere Kundschaft an. Ebenso können Restaurants und Lokale, Sitzecken und Spielmöglichkeiten für Kinder das Flanieren in Einkaufszentren für die ganze Familie angenehmer machen. Im Vordergrund müssen der Mensch und seine Bedürfnisse stehen, heißt: hilfreiche Beratung, gutes Service, ansprechendes Ambiente mit Wohlfühlatmosphäre. Dazu ein spannendes Warenangebot.
Doch ohne entsprechende Schulungen für wirklich gutes Service und neue Logistik-Maßnahmen (etwa, dass nicht vorhandene Ware in kurzer Zeit geliefert wird) wird es in Zukunft im stationären Handel nicht gehen. Fast alle großen in Österreich tätigen Einzelhändler betreiben bereits jetzt Multi-Channeling, dabei verbinden sie die beiden Vertriebskanäle – online und stationär. Vor allem für kleine und mittlere Einzelhandelsunternehmen ist das ohne ausreichende Spezialisierung schwierig – sie geraten mehr und mehr unter Druck. Ebenso ergeht es Einkaufsstraßen in vielen österreichischen Kleinstädten, die ihre Kunden nicht nur an den Online-Handel, sondern auch an die Einkaufszentren am Stadtrand verlieren.
„Digitaler und stationärer Handel müssen und können einander ergänzen.“
Gemeinsam und ergänzend
Der stationäre Handel muss abgesehen von Service und Beratung versuchen, die Vielfalt des Internets auch mithilfe der Digitalisierung auszugleichen. „Sinnvoll ist es zu analysieren, was den Online-Handel ausmacht, und wie auch ich als kleiner Betrieb da reüssieren kann“, rät der AK-Experte. Mithilfe der Digitalisierung kann der stationäre Handel beide Welten verbinden. „Digitaler und stationärer Handel müssen und können einander ergänzen“, weiß Andrea Heumann, Prokuristin bei Thalia. „Das Silodenken in den einzelnen Kanälen „online“ und „stationär“ gibt es bei uns nicht, da wir immer dort sein wollen, wo auch der Kunde ist. Wir brauchen Kompetenzen in den verschiedensten Bereichen, wie z.B. im e-Commerce Shop-Management ein Gespür für relevante Themen und deren grafische Umsetzung erfordert“, sagt Andrea Heumann. Das Unternehmen setzt auf den entscheidenden Faktor Kundenerlebnis – es soll von der Suche bis hin zur Betreuung auch nach dem Kauf wirken. „Es ist sinnvoll, Kundenservices kanalübergreifend zu denken und anzubieten“, erklärt Heumann. KundInnen haben etwa die Möglichkeit, Ware vorab online zu bezahlen und direkt in einer Thalia-Buchhandlung abzuholen. Bei Verfügbarkeit ist das gewünschte Produkt innerhalb von zwei Stunden abholbereit. Heumann: „Insbesondere in den letzten Monaten spüren wir für diesen Service einen sehr starken Anstieg in der Nachfrage.“
Schlupflöcher für Riesen
Wenn Amazon, Zalando und Co. Waren an österreichische KonsumentInnen verkaufen und hohe Gewinne erzielen, sollten sie auch die Gewinnsteuern in Österreich abführen. Das geschieht aber nicht – die Online-Riesen verfügen hierzulande über keine Betriebsstätten, diese sind jedoch die Grundlage für eine österreichische Gewinnbesteuerung. Die von der Regierung in Zukunft eingehobene Digitalsteuer bezieht sich nur auf Erlöse aus der Online-Werbung. „Die Einnahmen daraus entsprechen bei weitem nicht einer Gewinnsteuer“, sagt Helmut Gahleitner.
Durch das Ausnützen von Steuerschlupflöchern und unterschiedlichen Gewinnsteuersystemen in den EU-Mitgliedsstaaten – auch „aggressive Steuerplanung“ genannt – minimieren die großen Online-Händler ihre Gewinnsteuern. Dadurch haben österreichische Händler erhebliche Wettbewerbsnachteile.