"Zukunft Standort Europa"
Die Gewerkschaft GPA lud am 16. Mai 2024 zu einer Betriebsrät:innenkonferenz – Diskussion über Herausforderungen des Wirtschaftsstandortes Europa
Welche Regelungen brauchen wir in Europa, damit neue Technologien den Menschen nutzen und sie nicht gefährden? Welche Industriepolitik ist nötig, um Wirtschaft, Innovationen und Arbeitsplätze in Europa zu fördern? Wie können wir demokratische und soziale Standards halten und wie kann der ökologische Umbau gelingen? Das waren Fragen, die im Rahmen der Konferenz erörtert wurden.
In ihrer Eröffnungsrede unterstrich GPA-Vorsitzende Barbara Teiber die Bedeutung eines starken Wirtschaftsstandortes für den Erhalt und den Ausbau der sozialen Standards in Österreich. Sie vermisse aber eine politische Gesamtstrategie und warnte auch vor neue Sparzwängen, verursacht durch zu strenge Fiskalregeln. Europa und Österreich bräuchten gerade jetzt Investitionen, um die Transformation der Wirtschaft zu schaffen.
Europa rechnet sich
Erster Keynote-Sprecher war der Leiter des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO) Gabriel Felbermayr. Er sprach von großen Potentialen der Europäischen Union und belegte auch die großen Vorteile, die Österreich durch die Mitgliedschaft in der Union habe. „Europa rechnet sich für uns“, so sein Resümee.
Handlungsbedarf sieht Felbermayr beim Ausbau transnationaler Netze (Verkehr, Energie), wo er stärkere gemeinschaftliche Initiativen der EU einforderte.
Der Präsident des Wirtschafts- und Sozialausschusses EWSA Oliver Röpke betonte, dass das große Engagement der Gewerkschaften im Rahmen der EU-Institutionen sich gelohnt habe. Er verwies u.a. auf Initiativen wie Mindestlohn, KI und Arbeitnehmer:innensicherheit und Plattformarbeit. Er warnte davor, die Bedeutung der EU herunterzureden. Damit der Green New Deal auch eine sozialer New Deal werde, brauche es starke Gewerkschaften in Europa. Österreich sei dafür ein ausgezeichnetes Beispiel, etwa aufgrund der hohen Abdeckung durch Kollektivverträge.
„Klotzen, nicht Kleckern!“
Eine Podiumsdiskussion stand unter dem Motto: „Welches Europa wollen wir? Voraussetzungen für ein demokratisches, wirtschaftlich erfolgreiches, sozial gerechtes und nachhaltiges Europa“.
Sabine Herlitschka, Vorstandsvorsitzende der Infineon Technologies Austria AG, stv. Präsidentin der österreichischen Industriellenvereinigung, strich die Bedeutung von Unternehmen wie Infineon im Bereich der Schlüsseltechnologien (Halbleiter) hervor, die eine zentrale Bedeutung für die Zukunft des Standortes Europa hätten. Sie wies wiederholt auf die harte internationale Konkurrenzsituation hin. Es brauche eine strategisch geplante Energie- und Infrastrukturpolitik in Europa.
Die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments Evelyn Regner plädierte für einen praktischen Zugang zu einer Standortpolitik, der die Lebensbedingungen der Menschen im Fokus habe. Dafür brauche es aber Investition und man müsse massiv Geld in die Hand nehmen („Klotzen statt Kleckern!“). Sie forderte eine echte, gelebte Sozialpartnerschaft ein, die für das Gelingen der großen Zukunftsprojekte essenziell sei.
Der Experte für Industriepolitik und Strukturwandel der AK Wien, Michael Soder, ortete eine Renaissance der Industriepolitik in Europa, betonte aber den massiven Druck, den die Wirtschaftsblöcke China and USA ausüben. Europa brauche Eingriffe und strategische Orientierungen, um zwischen den Blöcken zu bestehen. Er vermisse in diesem Zusammenhang eine politische Koordinierung innerhalb der EU.
Paul Schmidt, Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik, sieht einen großen Verbesserungsbedarf beim Wissen der Bevölkerung über wichtige Fakten der Europäischen Union. Insbesondere in Österreich sei die Skepsis besonders groß. Es sei eine zentrale Frage, die Stimmung in der Bevölkerung zur Europäischen Union positiv zu wenden.
Frieden zentral für soziale Frage
Den Abschluss machte Wolfgang Katzian, Präsident des EGB und des ÖGB. Er brachte das zentrale Thema Frieden als Basis für eine positive künftige Entwicklung in Europa ein. Es gehe nach wie vor um ein soziales und friedliches Europa. Für ihn sei das die Hauptmotivation gewesen, für einen österreichischen Beitritt zur EU zu werben. Der ÖGB-Präsident sieht auch die große Gefahr, die durch die Fiskalregeln auf den Sozialstandards ausgehen würde. Er warnte abschließend vor dem Erstarken autoritärer Tendenzen in Europa und betonte dabei die Rolle von Gewerkschaften als wichtigen Bestandteil einer Brandmauer.
Thema im Rahmen der Konferenz waren auch die bevorstehenden Wahlen zum EU-Parlament.
Unter dem Motto „Wer, wenn nicht die EU?“ appellieren die Gewerkschaft GPA und zahlreiche Betriebsrät:innen, sich zahlreich an den Wahlen zu beteiligen.