Polnische EU-Ratspräsidentschaft 2025: Soziale Sicherheit als Nebenschauplatz?
Tusk betont digitale und äußere Sicherheit – Gewerkschaften warnen vor Vernachlässigung sozialer Standards
Polen übernimmt am 1. Januar 2025 für sechs Monate den Vorsitz im Rat der Europäischen Union und läutet die „Triopräsidentschaft“ gemeinsam mit Dänemark (2. HJ 2025) und Zypern (1. HJ 2026) ein. Während die polnische Regierung unter Donald Tusk „Sicherheit in allen Dimensionen“ in den Mittelpunkt stellt, deuten Programm und Prioritäten auf einen klaren Fokus auf Wettbewerb und äußere Sicherheit. Die soziale Sicherheit droht in den Hintergrund zu rücken.
Umfassender Schutz als Leitthema - aber wo bleibt das Soziale?
Zu den Schwerpunkten der Ratspräsidentschaft zählen neben Verteidigung und Energie auch die digitale und wirtschaftliche Sicherheit. Sozialpolitische Themen finden sich erst weiter hinten im Programm, wie etwa der Umgang mit den Herausforderungen der digitalen Arbeitswelt und der grünen Transformation. Hier plant Polen EU-weite Standards für digitale Arbeitsformen und Programme zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit.
Besonders auffällig ist jedoch das Fehlen klarer Verpflichtungen für gute Arbeitsbedingungen und soziale Absicherung. So fehlen verbindliche Maßnahmen zur Umsetzung von EU-Richtlinien wie der Mindestlohnrichtlinie, der Lohntransparenzrichtlinie oder den Regelungen zur Plattformarbeit. Stattdessen werden überwiegend ökonomische Ziele betont, wie die Reduktion „übermäßiger bürokratischer Lasten“. Diese Rhetorik kennen wir – hinter ihr steht meist die Bestrebung, Arbeitnehmer:innenrechte und Konsument:innenschutz abzubauen
EU-Erweiterung und Energiesicherheit
Die Ratspräsidentschaft räumt der EU-Erweiterung und der Unterstützung des Nachbarn Ukraine einen besonderen Stellenwert ein. Das sei ein "geopolitischer Imperativ" und eine Chance für mehr Stabilität auf dem Kontinent. Parallel dazu treibt Warschau die vollständige Abkopplung von russischen Energieimporten voran.
Echte Beschäftigungspolitik braucht mehr Substanz
Polens Programm umfasst Initiativen zur Integration älterer Arbeitnehmer:innen in digitalisierte Arbeitsmärkte und betont die Notwendigkeit, Arbeitskräftemangel durch Umschulungsprogramme zu beheben. Dies sind wichtige Ansätze, doch fehlt es an Mechanismen, die sicherstellen, dass diese Maßnahmen auch tatsächlich zu qualitativ hochwertigen und nachhaltigen Arbeitsplätzen führen.
Ohne verbindliche Standards drohen solche Programme, eher kurzfristigen unternehmerischen Interessen zu dienen, statt langfristig soziale Sicherheit für Arbeitnehmer:innen zu schaffen.
Die grüne Transformation: sozial gerecht?
Die Ratspräsidentschaft verspricht, die soziale Abfederung der ökologischen Transformation voranzutreiben. Doch konkrete Maßnahmen, wie öffentliche Investitionen an faire Löhne und sichere Arbeitsbedingungen geknüpft werden können, fehlen.
Es braucht hier aber Verbindlichkeit: Öffentliche Gelder dürfen nicht in prekäre Beschäftigung fließen, sondern müssen faire Löhne und sichere Arbeitsbedingungen fördern. Andernfalls werden unfaire Arbeitgeber:innen für ihre schlechten Praktiken belohnt.
Gewerkschaftliche Forderungen
Die polnische Ratspräsidentschaft steht unter hohen Erwartungen, insbesondere nach der stark kritisierten ungarischen Amtszeit. Das bisher vorgestellte Programm liegt im europäischen „Trend“, soziale Fragen zum Nebenthema zu degradieren.
Als europäische Gewerkschaftsbewegung wissen wir, das wird fatale Folgen haben, deswegen machen wir uns stark für:
- Verbindliche Arbeit an der guten Umsetzung von EU-Richtlinien
- Öffentliche Investitionen nur für faire Arbeitgeber:innen
- Stärkung der Kollektivvertragsabdeckung und des sozialen Dialogs
Messlatte für den Erfolg: die tatsächliche Arbeit
Als europäische Gewerkschaftsbewegung werden wir die tatsächliche Umsetzung der beschäftigungspolitischen Zusagen besonders aufmerksam beobachten und einfordern. Es braucht keine wohlklingenden Absichtserklärungen, sondern konkrete und verbindliche Maßnahmen für ein soziales Europa, das die Rechte von Arbeitnehmer:innen konsequent schützt und ausbaut.