Auslandsniederlassungen österreichischer Unternehmen in Serbien
Zahlreiche österreichische Unternehmen haben in den letzten Jahren Niederlassungen in Serbien angesiedelt. Zu den Gründen dafür zählen günstige Arbeits- und Lohnkosten, hohe staatliche Subventionen bei Betriebsansiedelungen, niedrige arbeitsrechtliche Standards und ein kaum existenter sozialer Dialog. Im Zuge einer Studienreise haben wir Arbeitsbeziehungen und Arbeitsbedingungen in Niederlassungen österreichischer Unternehmen in Serbien näher untersucht.
Gewerkschaftslandschaft und Interessenvertretung
Die serbische Gewerkschaftslandschaft ist weitgehend zersplittert und fragmentiert. Die fünf Dachverbände setzen sich aus vielen einzelnen Gewerkschaften zusammen, die in den Unternehmen oftmals in Konkurrenz zueinanderstehen.
Auf betrieblicher Ebene gibt es neben der Gründung einer Betriebsgewerkschaft auf Initiative der Beschäftigten auch die Möglichkeit einen Betriebsrat einzurichten. Dieser wird jedoch in den meisten Fällen von Arbeitgeberseite initiiert und agiert unabhängig von (Betriebs-)Gewerkschaften.
Im Gegensatz zu den Betriebsgewerkschaften hat der Betriebsrat auch kein Mandat KV-Verhandlungen auf betrieblicher Ebene zu führen.
Vereinbarungen auf Branchenebene sind abgesehen vom öffentlichen Bereich in keinem Sektor existent. Die Gewerkschaften bemühen sich daher, KV-Vereinbarungen auf Unternehmensebene abzuschließen.
Arbeitsbedingungen in den Auslandsniederlassungen österreichischer Unternehmen
In den beiden besuchten serbischen Unternehmensstandorten existieren Betriebsgewerkschaften, die auch mit Unterstützung österreichischer Betriebsräte und teils gegen den Willen des lokalen Managements ins Leben gerufen wurden.
In diesen beiden Niederlassungen konnten auch betriebliche KV-Vereinbarungen abgeschlossen werden. Diese Abkommen haben einen ähnlichen Regelungsumfang wie Kollektivverträge hierzulande, jedoch auf weitaus niedrigerem Standard. Einer Betriebsgewerkschaft ist es dadurch beispielsweise gelungen, einen höheren Nachtarbeitszuschlag (40%) im Vergleich zur gesetzlichen Regelung (28%) zu verhandeln. Am anderen Produktionsstandort konnte Infrastruktur für die gewerkschaftliche Arbeit am Standort in Form von Büroräumlichkeiten geschaffen werden.
Die Rolle des lokalen mittleren Managements an den Standorten ist sehr kritisch zu sehen. Die Gewerkschaften vor Ort berichteten von besonders ausgeprägten Methoden des union busting. Angst vor Jobverlust herrscht bei den Betriebsgewerkschafter:innen ebenfalls, insbesondere aufgrund des fehlenden Kündigungsschutzes.
Einschätzungen von Betriebsräten zu den Erfahrungen der Studienreise
Rudolf Kortenhof, Betriebsratsvorsitzender bei Raiffeisen International:
„Durch die beiden Betriebsbesuche sowie bei der Friedrich-Ebert-Stiftung hat sich für mich ein sehr viel klareres Bild über den serbischen Arbeitsmarkt, die Arbeitnehmerbedingungen und die Gewerkschaftsstruktur ergeben. Für meine Rolle als EBR-Vorsitzender der Raiffeisen-Group gab es zwar keinen direkten Kontakt zu Raiffeisenvertreter:innen (die sind auch leider nicht im EBR vertreten), aber die Rückmeldungen seitens der Gewerkschaften waren bezüglich Arbeitsbedingungen bei Raiffeisen durchwegs positiv. Vielleicht gelingt es mit Unterstützung einer lokalen Dachgewerkschaft in Zukunft eine Betriebsgewerkschaft bei Raiffeisen zu gründen.“
Dietmar Dünser, Betriebsratsvorsitzender der Angestellten bei ZUMTOBEL Group AG:
„Ich habe grundsätzlich mitbekommen wie die Gewerkschaftsarbeit in Serbien von statten geht und welche Herausforderungen unsere Kolleginnen und Kollegen dort haben, wie hoch die Löhne sind bzw. wie sie sich zusammensetzen. Das war für mich wichtig und daher super!“