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Sozialer Frieden für Europa

Die EU wurde nicht nur als Wirtschafts-, sondern auch als Friedensprojekt gegründet. Dass ihre Mitgliedstaaten in keinen kriegerischen Auseinandersetzungen stehen, hat zur Entwicklung des Wirtschaftsraums und des Wohlstands beigetragen. Eine wesentliche Basis dafür ist aber auch der soziale Frieden: Jeder Mensch muss ökonomisch und sozial gut abgesichert sein. Dieser soziale Frieden ist derzeit aber bedroht, Gruppen werden gegeneinander ausgespielt, Neid und Hass werden geschürt. Das kann die Zukunft Europas gefährden.

Die Europäische Union muss auf der Idee einer Gemeinschaft beruhen, in der die politischen und sozialen Grundrechte geachtet und die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen stets kontinuierlich verbessert werden. Die Politik der EU-Kommission und vieler Mitgliedstaaten war in den letzten Jahren jedoch immer wieder von Angriffen auf soziale Rechte der ArbeitnehmerInnen und auf Gewerkschaftsrechte gekennzeichnet. Unsoziale Sparpolitik, Angriffe auf soziale Sicherungssysteme und der Abbau von öffentlichen Dienstleistungen haben Arbeitslosigkeit und Armutsgefährdung in vielen Mitgliedstaaten der EU ansteigen lassen. Mit dieser Politik wird in erster Linie Angst unter den Menschen geschürt, etwa vor dem Verlust des Arbeitsplatzes oder der Pension.

Um den Menschen in Europa ein Leben in sozialem Frieden ermöglichen zu können, müssen folgende Maßnahmen ergriffen werden:

Das soziale Fortschrittsprotokoll jetzt durchsetzen

Eine Kernforderung ist das Soziale Fortschrittsprotokoll zur Stärkung sozialer Grundrechte gegenüber wirtschaftlichen Freiheiten im EU-Binnenmarkt. Der Vorrang der wirtschaftlichen Freiheiten hat durch verschiedene Urteile des Europäischen Gerichtshofes zu Einschränkungen sozialer Grundrechte sowie der Rechte der Gewerkschaften geführt. Darüber hinaus verhindert die Vorrangstellung der Marktfreiheiten eine Entwicklung zu einem sozialen Europa, gefährdet nationale Kollektivvertragssysteme und erschwert den Kampf gegen Lohn- und Sozialdumping und für eine sozial verträgliche Gestaltung der ArbeitnehmerInnen-Freizügigkeit. Im Zusammenhang mit der nächsten EU-Vertragsrevision muss den sozialen Grundrechten, einschließlich der Rechte der Gewerkschaften, Vorrang eingeräumt werden.

Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping

Das Lohn- und Sozialdumping im EU-Binnenmarkt, von dem Österreich besonders stark betroffen ist, muss endlich wirksam bekämpft und beendet werden. Ansonsten wird das Vertrauen der ArbeitnehmerInnen in die EU weiter sinken. Das Risiko der Unterentlohnung liegt bei grenzüberschreitender Arbeitskräfteentsendung bis zu 50 Mal höher als bei lokalen Anbietern. Verwaltungsstrafen wegen Lohn- und Sozialdumping sind in den meisten Fällen grenzüberschreitend nicht einholbar. Dadurch werden soziale Standards und ArbeitnehmerInnenrechte systematisch untergraben.

Investitionen in Wachstum und qualitativ hochwertige Arbeitsplätze

Europa braucht mehr private und öffentliche Investitionen, um ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu sichern und seine Wettbewerbsfähigkeit in der globalen Wirtschaft aufrecht zu erhalten. In allen Mitgliedstaaten sind Investitionen in Sozialsysteme, in öffentlichen Dienstleistungen und in Infrastruktur (einschließlich der sozialen Infrastruktur) und in Umwelttechnologien erforderlich. Qualitativ hochwertige öffentliche Dienstleistungen sind die Grundlage für Lebensqualität und sozialen Zusammenhalt und ein wesentlicher Bestandteil des europäischen Gesellschaftsmodells. Auch die Nachfrageseite der Wirtschaft muss durch eine offensive und solidarische Lohnpolitik gestärkt werden. Europa braucht in diesem Sinn generell und umfassend Lohnerhöhungen.

Sicherung starker ArbeitenhmerInnenrechte – sozialpolitisches Aktionsprogramm jetzt

Die EU und ihre Mitgliedstaaten müssen umfassende Rechte und Schutzstandards für ArbeitnehmerInnen sicherstellen. Dabei geht es etwa um das Recht auf Gleichbehandlung, sozialen Schutz, um Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, um Bestimmungen zu Arbeits- und Erholungszeiten, um Regelungen zur Beteiligung der ArbeitnehmerInnen, umfangreiche Mitbestimmungsrechte, starke Kollektivvertragssysteme sowie um den Zugang zu Ausbildung und lebenslangem Lernen. Die im Jahr 2017 proklamierte „Europäische Säule sozialer Rechte“ ist als erster Schritt in die richtige Richtung zu begrüßen. Sie darf sich jedoch nicht in einer Auflistung unverbindlicher Prinzipien und Absichtserklärungen erschöpfen. Ohne eine konsequente und verbindliche Umsetzung der in der Säule enthaltenen Prinzipien und Rechte wird es zu keinem grundlegenden Kurswechsel kommen.

Stärkung der Rechte von Frauen und ihrer Beteiligung am Arbeitsmarkt

Der Gender Pay Gap, die Benachteiligung bei Frauen im Pensionsbereich und viele andere Kennzahlen zeigen den überfälligen Handlungsbedarf im Bereich der Gleichstellung. Wir wollen europaweit ein höheres Maß an Gleichberechtigung von Frauen und Männern, insbesondere im Bereich der Arbeit, erreichen. Die EU sollte eine neue europäische Strategie für die Gleichstellung von Frauen und Männern annehmen und diese jährlich evaluieren. Dies ist ein wichtiges Element, um die Ziele der Strategie Europa 2020 zu erreichen und den sozialen Pfeiler der EU zu stärken. Wir wollen, dass die EU Vorreiterin für die Förderung und Sicherung der Rechte von Frauen und der Gleichstellung sowohl auf nationaler als auch auf europäischer und globaler Ebene ist.

Ausbau von Demokratie und sozialem Dialog

Wir wollen den sozialen Dialog auf europäischer Ebene stärken – in den einzelnen Sektoren sowie branchenübergreifend. Gleichzeitig gilt es die Kapazitäten für den sozialen Dialog in Ländern zu verstärken, wo diese noch immer unzureichend sind. Für uns steht fest: Eine starke Sozialpartnerschaft ist ein wesentlicher Pfeiler für sozialen Frieden. Deshalb gilt: Die Sozialpartner müssen direkt in die Entwicklung und Umsetzung der europäischen Politik einbezogen werden. Dies ist die beste Voraussetzung für ausgewogene politische Lösungen und das beste Rezept gegen die Partikularinteressen der der Industrie- und Finanzlobby, die auch in der EU gegen die Sozialpartnerschaft und gegen ausgewogen besetzte Institutionen wie den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) vorgehen möchte.