Wer, wenn nicht die EU, kann Konzerne fair besteuern?
Beschäftigte dürfen nicht die Zeche für Steuerhinterziehung & Steuervermeidung in der EU zahlen
Konzerne sichern sich durch Lobbying und ihre Marktmacht großen Einfluss. Einzelne Staaten haben dem nur wenig entgegenzusetzen. Eine faire Besteuerung von Gewinnen und das Schließen von Schlupflöchern sind daher auf europäischer Ebene notwendig. Wer, wenn nicht die EU, kann für eine gerechte Regulierung von Konzernen sorgen?
Steuerpolitik im Zusammenhang mit der europäischen Arbeits- und Wirtschaftswelt
Durch Steuerhinterziehung und Steuervermeidung großer Unternehmen und reicher Privatvermögender entgehen den EU-Mitgliedsländern jährlich bis zu 1.000 Milliarden Euro an Einnahmen. Diese Mittel fehlen uns allen für notwendige sozial- und wirtschaftspolitische Maßnahmen. Vor allem Beschäftigte und kleine Unternehmen müssen diesen Einnahmenausfall mit ihren Abgaben wettmachen.
Mit aggressiver Steuervermeidung gelang es Konzernen bisher, ihre Gewinne in Niedrigsteuerländer zu verlagern bzw. die nationalen Steuerrechte gegeneinander auszuspielen. Zudem hinkt das Steuerrecht digitalen Geschäftsmodellen hinterher, da viele Online-Unternehmen mangels (traditioneller) Betriebsstätten keine Gewinnsteuern zahlen.
Der daraus resultierende Steuerwettbewerb zwischen den EU-Staaten hat in Form eines Wettlaufs nach unten seinen Teil dazu beigetragen, dass die Staatshaushalte immer mehr unter Druck gekommen sind. Multinationale Konzerne hingegen tragen immer weniger zum Gemeinwohl bei.
Trotz dieser Schieflage ist es im Kampf gegen Steuerhinterziehung und aggressiver Steuerplanung auf europäischer Ebene in den letzten Jahren auch zu wichtigen Erfolgen gekommen. Durch die Einführung der globalen Mindeststeuer ist in den nächsten Jahren mit positiven Effekten in der Bekämpfung von Steuervermeidung zu rechnen.
Unser Anspruch als Gewerkschaft GPA ist es, politisch für effektive Maßnahmen gegen Steuerbetrug und Steuervermeidung zu kämpfen, sowohl national, aber auch auf europäischer und internationaler Ebene. Nur so können wir auch künftig die Finanzierung wichtiger sozialer Standards in der gesamten EU sicherstellen.
Einstimmigkeitsprinzip bei Steuerfragen im EU-Rat abschaffen
Wichtige steuerpolitische Gesetzesinitiativen werden immer wieder von einzelnen Mitgliedstaaten blockiert. Möglich ist dies durch das Einstimmigkeitsprinzip, welches in Steuerfragen vertraglich festgeschrieben ist. Würden die Länder, wie in anderen politischen Bereichen üblich, mit einer einfachen Mehrheit entscheiden können, wäre die EU bei Steuerthemen deutlich handlungsfähiger und es könnte endlich gelingen, den unfairen Wettbewerbsvorteil zugunsten einzelner Niedrigsteuerländer zu beenden.
Zur Sicherstellung politischer Handlungsfähigkeit und zur Unterbindung des schädlichen Steuerwettbewerbes fordern wir auf EU-Ebene:
- Das Einstimmigkeitsprinzip bei Steuerfragen im Rat der Europäischen Union abzuschaffen. Nur dadurch können wir eine unionsweit faire Besteuerungsgrundlage in allen Bereichen schaffen.
Höhere Mindeststeuersätze und gemeinsame Bemessungsgrundlagen
Die Körperschaftssteuern in der EU sind seit 1995 durchschnittlich um fast 15% gesunken. Diese Abwärtsspirale bei der Unternehmensbesteuerung ist nicht zuletzt auf einen schädlichen Wettbewerb zwischen den EU-Staaten zurückzuführen. Ziel dieses „race to the bottom“: die vermeintlich lukrativsten Standortbedingungen durch niedrige Steuerabgaben zu schaffen und dadurch Unternehmensansiedlungen zu forcieren. Um diesem steuerpolitischen Dumping-Wettbewerb zumindest im Ansatz zu entgegnen, hat die EU mit der Einführung niedrig angesetzter Mindeststeuerregelungen für Konzerne reagiert.
Ende 2022 konnte sich die EU auf die Richtlinie zur Umsetzung der globalen Mindeststeuer für Konzerngewinne einigen. Das Gesetz soll für alle Unternehmen ab einem Jahresumsatz von 750 Millionen Euro gelten und sicherstellen, dass große multinationale Unternehmen in jedem Land, in dem sie Gewinne erzielen, mindestens 15% Steuern auf die dort erzielten Einkünfte zahlen. Obwohl dieser Steuersatz zu niedrig ist und die Richtlinie auch Begünstigungen für Unternehmen vorsieht, ist damit ein wichtiger europäischer Schritt in der Konzernbesteuerung gelungen.
Um Unternehmensgewinne möglichst steuersparend verbuchen zu können, werden sie zum Zweck der Steuervermeidung innerhalb von Konzernen in Einheiten von Niedrigsteuerländern verschoben. Diese Steuervermeidungstaktik ist meistens zwar legal, gesellschaftspolitisch jedoch verwerflich. Damit diese Umgehungsstrategien verhindert werden können, bedarf es auch einer europaweit einheitlichen Bemessungsgrundlage für die Besteuerung von Gewinnen.
Gepaart mit einem höheren Mindeststeuersatz würden innereuropäische Verschiebungen von Profiten somit keine Steuervermeidung mehr ermöglichen. Auch bei dieser Thematik gab es in den letzten Jahren auf europäischer Ebene Fortschritte.
Ende 2021 wurde auf EU-Ebene die Richtlinie über öffentliche länderspezifische Berichterstattung von multinationalen Unternehmensgruppen verabschiedet. Das sogenannte „Country-by-Country-Reporting“ verpflichtet in der EU tätige Unternehmen mit einem weltweiten Jahresumsatz von mehr als 750 Millionen Euro zur länderweisen Offenlegung relevanter Steuerinformationen.
Um höhere Mindeststeuersätze und gemeinsame Bemessungsgrundlagen zu verankern, die Steuervermeidungsmodelle nutzlos machen würden, fordern wir auf EU-Ebene:
- Gewinne sollen dort besteuert werden, wo die tatsächlichen wirtschaftlichen Aktivitäten stattfinden. Das kann durch eine EU-weit gemeinsame konsolidierte Bemessungsgrundlage für Körperschaftsteuern erreicht werden, die ein einheitliches Regelwerk zur Berechnung der steuerpflichtigen Unternehmensgewinne in allen Mitgliedstaaten vorsieht.
- Die Einführung eines höheren EU-weiten Mindeststeuersatzes für Unternehmen. Eine Nivellierung der nationalen Körperschaftssteuersätze nach oben ist das Ziel.
Wirksame Besteuerung digitaler Internetkonzerne
Das Internet und die fortschreitende Digitalisierung haben neue Möglichkeiten geschaffen, um online mit Produkten, Dienstleistungen oder Daten Handel zu treiben. Die physische Präsenz des jeweiligen Unternehmens in einem Land ist dazu nicht mehr nötig. Solche neuen Geschäftsmodelle stellen die Grundlage europäischer Besteuerungsmodelle auf den Kopf. Diese beruhen nämlich auf physischen Betriebsstätten. Konzerne können die Errichtung von Niederlassungen aus Steuergründen vermeiden.
Amazon hat beispielsweise im Jahr 2022 einen Umsatz von 50 Milliarden Euro erwirtschaftet, aber in seinem europäischen Hauptsitz in Luxemburg das fünfte Jahr in Folge keine Steuern dafür gezahlt. Internetkonzerne wie Facebook oder Google haben in den meisten europäischen Mitgliedstaaten keine Betriebsstätten. Dies hat zur Folge, dass sie für entstandene Gewinne im jeweiligen Land auch keine Körperschaftssteuern bezahlen müssen. Das ist ungerecht und führt darüber hinaus zu enormen Wettbewerbsverzerrungen.
Um Digital- und Internetkonzerne gerecht zu besteuern, fordern wir auf EU-Ebene:
- Das Konzept der digitalen Betriebsstätte muss im europäischen Steuerrecht verankert werden, damit sich Digital- und Internetkonzerne nicht davor drücken können, ihren gerechten Anteil am Steueraufkommen zu leisten.
Europaweite Finanztransaktionssteuer einführen, spekulative Aktivitäten eindämmen
Der kaum besteuerte Finanzsektor wurde im Zuge der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise 2007/2008 mit 4.600 Milliarden Euro gestützt. Auf Drängen einiger Mitgliedstaaten machte die EU-Kommission bereits 2011 einen Vorschlag für eine europaweite Finanztransaktionssteuer, mit einem Steuersatz von 0,1% bzw. 0,01%. Die Umsetzung dieses Vorschlages würde Einnahmen von ca. 50 Milliarden Euro ermöglichen. Acht EU-Länder haben auf nationaler Ebene bereits eine solche Steuer eingeführt. Auf europäischer Ebene konnte man sich aber bisher auf keine einheitliche Besteuerung der Finanzmärkte verständigen.
Die Einführung einer Finanztransaktionssteuer würde dazu beitragen, übermäßig spekulative Aktivitäten auf den Finanzmärkten zu reduzieren, da sie die Kosten für häufige Transaktionen erhöht. Daraus könnten stabilere Finanzmärkte sowie ein geringeres Risiko für Finanzmarktkrisen resultieren.
Um eine faire Beteiligung der Finanzmarktakteur:innen am Gesamtsteueraufkommen sicherzustellen, fordern wir auf EU-Ebene:
- Eine EU-weit einheitliche Besteuerung von Finanztransaktionen.
- Eine effektive Finanzmarktregulierung, um weiteren Krisen vorzubeugen: Eindämmung kurzfristiger Finanz- und Devisenspekulation, strikte Regulierung von Ratingagenturen, Hedge- und Private Equity-Fonds und Derivaten, Internationalisierung der Finanzmarktaufsicht und Intensivierung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit von Aufsichtsbehörden.