EWSA-Stellungnahme zum sozialen Dialog in Europa
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) spricht sich in seiner Stellungnahme für die Förderung eines wirksamen sozialen Dialogs auf EU-Ebene sowie in den Mitgliedstaaten aus. Diesem soll bei der Gestaltung der wirtschafts-, arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Maßnahmen für bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen in der gesamten EU eine Schlüsselrolle zukommen. Denn neben der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008 macht vor allem die aktuelle COVID-19 Krise klar, dass jene Länder mit einem gut etablierten und institutionalisierten sozialen Dialog schneller und besser wieder aus der Krise kommen.
Sozialen Dialog sowie kollektivvertragliche Verhandlungen auf allen Ebenen ausbauen
Die Förderung des sozialen Dialoges ist als Ziel der Europäischen Union sowie ihrer Mitgliedstaaten vertraglich festgeschrieben. In der 2017 proklamierten Europäischen Säule sozialer Rechte (EPSR) wird die wesentliche Rolle des sozialen Dialoges, der Sozialpartner sowie kollektivvertraglicher Verhandlungsmodelle auf allen Ebenen bekräftigt. Tatsächlich ist es in den letzten Jahren jedoch vor allem durch nationale oder europäische Politik in diversen Mitgliedstaaten und Branchen zu einer erheblichen Schwächung des sozialen Dialogs gekommen.
Der EWSA fordert daher, im Aktionsplan zur Umsetzung der EPSR den sozialen Dialog und kollektivvertragliche Verhandlungsmodelle auf europäischer und nationaler Ebene zu stärken. Dies soll durch einen Ausbau der Kapazitäten von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden in allen Bereichen erfolgen und durch die EU-Kommission unterstützt werden. Dazu sollen auch finanzielle Mittel des Europäischen Sozialfonds (ESF) herangezogen werden.
Wichtig ist dies vor allem auch in Anbetracht neuer Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt, die für die Sozialpartner entstehen. Dazu zählen neben dem digitalen und ökologischen Wandel auch die Zunahme atypischer Beschäftigungsverhältnisse, durch die immer mehr Menschen vom Geltungsbereich von Kollektivverträgen bzw. anderer Schutzbestimmungen ausgeschlossen werden.
Sozialpartner sollen in Europäisches Semester und nationale Aktionspläne einbezogen werden
Das Europäische Semester wurde 2011 mit dem Ziel eingeführt, die Wirtschaftspolitik der EU-Staaten besser zu koordinieren und um den Mitgliedsländern (vielfach neoliberale) Reformvorschläge zu empfehlen. Die Sozialpartner werden in den Prozess des Europäischen Semesters nur in wenigen Ländern miteinbezogen. In manchen Staaten sind aber auch die Strukturen des sozialen Dialoges derartig schwach ausgeprägt, dass diese nicht über ausreichend Kapazitäten verfügen, um sich an diesem anspruchsvollen Prozess beteiligen zu können.
Dem Europäischen Semester wird bei der Umsetzung des Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) 2021–2027 sowie dem Recovery-Programm „Next Generation EU“ jedoch eine führende Rolle zukommen. Angesichts dessen fordert der EWSA die Einführung eines Mechanismus, der den Sozialpartnern das Recht gewährt, sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene zu den wichtigsten Etappen des Europäischen Semesters konsultiert zu werden. Insbesondere bei der Gestaltung und Umsetzung von Reformen und Maßnahmen in den Bereichen Beschäftigung und Soziales. Dies soll gleichermaßen für länderspezifische Empfehlungen der EU-Kommission aber auch für nationale Eigeninitiativen gelten.
Informations- und Konsultationsrechte des EBR durchsetzen und stärken
Der EWSA spricht sich auf europäischer und nationaler Ebene für Maßnahmen aus, um das Recht des EBR auf Information und Konsultation insbesondere während und in Folge der Corona-Pandemie sicherzustellen. Bei der Umsetzung der EBR-Richtlinie sollen die Durchsetzungsmaßnahmen verstärkt werden und bei Nichteinhaltung der Informations- und Konsultationsrechte sollen verhältnismäßige und wirksame Sanktionen zum Einsatz kommen.
„Über diese Forderungen haben wir lange verhandelt“, erklärt Sophia Reisecker, die an der Stellungnahme mitgearbeitet hat. „Die ArbeitgeberInnen wollten ursprünglich die EBR Richtlinie überhaupt nicht ansprechen. Es ist uns GewerkschafterInnen letztlich aber gelungen, dass vor allem die Notwendigkeit der Durchsetzung der EBR-Rechte betont wird. Leider sieht es nicht danach aus, dass die Kommission das Mitbestimmungsthema nächstes Jahr aktiv aufnimmt, aber wir müssen da dranbleiben.“