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EU-Wahl 2024: Ein Überblick am Tag danach

Soziale und ökonomische Unsicherheit in Europa bekämpfen

Pixabay

Die EU-Wahl ist geschlagen und der Rechtsruck in Europa höchst bedenklich, jedoch: Die demokratischen Kräfte haben weiterhin eine klare Mehrheit im Europäischen Parlament. Als europäische Gewerkschaftsbewegung ist für uns klar: Es gibt keinen Grund für Hinterzimmerabsprachen mit den antidemokratischen und arbeitnehmer:innenfeindlichen extremen Rechten. 

Die Wahlen zum Europäischen Parlament (EP) liegen nun hinter uns. Europaweit waren zwischen dem 6. und 9. Juni über 370 Mio. Bürger:innen aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Sie haben das größte politische Gremium der Europäischen Union mit seinen 720 Sitzen für die kommenden fünf Jahre neu zusammengesetzt. In Österreich lag die Wahlbeteiligung bei 54,1 % und somit knapp unter dem Wert von 2019 (59,8%).

Der Wahlkampf, der durch eine Reihe an Gewalttaten gegen Politker:innen auffiel, bringt nun den lange gefürchteten Rechtsruck in Europa mit sich, angeführt durch die Ergebnisse Frankreichs, Deutschlands und nicht zuletzt Österreichs. Die Zusammensetzung der neuen Kommission sowie die Wahl des oder der Kommissionspräsident:in stehen jetzt bevor und werden von den europäischen Fraktionen bereits diskutiert.

So schnitten die österreichischen Parteien ab

Von den über 6 Mio. Wahlberechtigten in Österreich folgten knapp mehr als die Hälfte dem Aufruf zur Stimmabgabe und hatten 20 Mandate im EP zu vergeben. Während die FPÖ mit starken und die NEOS mit spürbaren Zugewinnen als Wahlsiegerinnen aus der Wahl hervorgehen, kann die SPÖ ihr Wahlergebnis von 2019 mit einem geringen Verlust halten, während die Volkspartei herbe Einbußen einfährt und etwa 10 Prozentpunkte verliert. Trotz teils starker Bewegungen im Vergleich zum Wahlergebnis 2019 liegen die drei stimmenstärksten Parteien mit Werten zwischen 23,2% und 25,7% nahe beieinander.

  • FPÖ: 25,7% (+8,5), 6 Mandate (+3)
  • ÖVP 24,7% (-9,9), 5 Mandate (-2)
  • SPÖ: 23,2% (-0,7), 5 Mandate 
  • Die Grünen: 10,7% (-3,4), 2 Mandate 
  • NEOS: 9,9% (+1,5), 2 Mandate (+1)
  • KPÖ: 2,9% (+2,1), 0 Mandate 
  • DNA: 2,7% (+ 2,7), 0 Mandate

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Das Ergebnis der Europäischen Fraktionen

Die Europäische Volkspartei (EVP) bleibt klar stimmenstärkste Fraktion und kann ihre Mehrheit sogar leicht ausbauen, nicht jedoch den Aufschwung der rechten und rechtsextremen Parteien, stoppen. Trotz teilweise ungeklärter Fraktionierung der rechten und rechtsextremen Parteien zeigt sich bereits, dass die rechten Fraktionen EKR und ID gemeinsam mit 131 Sitzen eine relevante Kraft im EP sein werden, und das obwohl die deutsche AfD (15 Sitze) und die ungarische Fidesz (10 Sitze) derzeit keiner Fraktion zugeordnet sind.

Unter diesen Bedingungen ist das hartnäckige Engagement von Gewerkschafter:innen in ganz Europa besonders wichtig. Welche Gewerkschafter:innen die Interessen der europäischen Arbeitnehmer:innen tatsächlich im EP vertreten werden, bleibt noch abzuwarten. 

Vorläufige Ergebnisse (Stand 24.06.2024, 14:00):

  • Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP): 26,3%, 189 Sitze
  • Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten (S&D): 18,9%, 136 Sitze
  • Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR): 11,5%, 83 Sitze
  • Renew Europe: 10,3%, 74 Sitze
  • Fraktion Identität und Demokratie (ID): 8,1%, 58 Sitze
  • Fraktion der Grünen (Grüne/EFA): 7,1%. 51 Sitze
  • Linke (Fraktion Die Linke im Europäischen Parlament): 5,4%, 39 Sitze
  • Fraktionslos (FL): 6,3%, 45 Sitze
  • Neue Parteien (noch ohne Fraktion): 6,3%, 45 Sitze

> Detaillierte Ergebnisse

Und nun? Die nächste Europäische Kommission

Die aktuelle Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen (EVP) wünscht sich eine zweite Amtszeit. 2019 wurde sie noch ohne Kandidatur zum Parlament, aber dafür mit starker Unterstützung Frankreichs und Deutschlands in diese Position gewählt. Die Mehrheit von 361 Stimmen im EP ist jedoch nicht gewonnen. Klar ist, dass die Stimmen der “großen Koalition”, also jene der EVP und der S&D mit insgesamt 323 Sitzen nicht ausreichen. Bei voller Zustimmung durch diese beiden Fraktionen fehlen noch immer 38 Sitze für eine Mehrheit, wobei die volle Zustimmung keineswegs gesichert ist. 2019 lieferten EVP, S&D sowie Renew die benötigten Stimmen. Letztere beide dürften heuer aufgrund von der Leyens Liebäugelei mit Giorgia Meloni und der europäischen Rechten schwer zu überzeugen sein. 

Das Stimmverhalten der Grünen/EFA im EP ist grundsätzlich divers, wird jedoch wie bei den anderen Fraktionen davon abhängen, zu welchen politischen Zugeständnissen die EVP bereit ist. Eine Abkehr von der in der letzten Legislaturperiode erfolgreichen Kooperation mit der europäischen Sozialdemokratie, den Liberalen sowie den Grünen zu Gunsten einer Unterstützung durch rechte und weit rechte Abgeordnete ist nicht ausgeschlossen. Eine derartige Allianz würde nicht nur eine Schwächung der Interessen von Arbeitnehmer:innen in Europa bedeuten, sondern wäre auch aufgrund der traditionell geringen Kooperationsfähigkeit rechter Parteien nur äußerst instabil.

EGB-Generalsekretärin Esther Lynch: Die richtigen Schlüsse aus dem Rechtsruck ziehen und soziale und ökonomische Unsicherheit bekämpfen!

Bereits am Wahltag findet die Generalsekretärin des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB) klare Worte für dieses Wahlergebnis:

Es darf jetzt keinen „Dienst nach Vorschrift“ geben. Diese Ergebnisse müssen der Weckruf sein, der Europa davon abhält, schlafwandlerisch in die Katastrophe zu laufen. Alle demokratischen Parteien müssen ihre gemeinsame Mehrheit nutzen, um die Prioritäten der hart arbeitenden Menschen umzusetzen. Es ist an der Zeit, nicht länger an den Symptomen herumzudoktern, sondern endlich die wahre Ursache des Unbehagens anzugehen - die wirtschaftliche Unsicherheit!“

Zur vollständigen Stellungnahme geht es hier.

Der weitere Fahrplan

  • Unmittelbar nach der Wahl: Bildung der europäischen Fraktionen für die Periode 2024-2029
  • 27.-29. Juni: Treffen der europäischen Staats- und Regierungschefs im europäischen Rat
  • 16.-19. Juli: Konstituierende Sitzung des Europäischen Parlaments
  • 16.-19. September: Wahl des oder der Kommissionspräsident:in
  • 1. Dezember: Beginn der EU-Amtsperiode 2024-2029