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EU-Wahl 2024: Wie geht es jetzt weiter?

Auch Wochen nach der EU-Wahl 2024 ist noch vieles in Bewegung. Die Aufgaben der europäischen Politik sind klar: Soziale Unsicherheiten beseitigen und die grüne und digitale Transformation sozial gerecht gestalten

Auch Wochen nach der EU-Wahl 2024 ist noch vieles in Bewegung. Die rechts-konservativen und rechtsextremen Parteien haben deutlich an Zustimmung gewonnen. Der Rechtsruck nahm letztlich aber nicht das befürchtete Ausmaß an. Die Aufgaben der europäischen Politik sind klar: Dem rechten und rechtsextremen Populismus muss die Grundlage entzogen werden, indem man ökonomische und soziale Unsicherheiten beseitigt und die grüne und digitale Transformation sozial gerecht gestaltet.

Von der Unsicherheit zum Kreuzerl bei Rechts

Seit Jahren zeigen diverse Studien (wie jene der Hans-Böckler-Stiftung oder der Otto-Brenner-Stiftung), dass Menschen, deren ökonomische und soziale Lebensbedingungen durch Stabilität gekennzeichnet sind, und die an der Gestaltung ihres Arbeitsplatzes teilhaben, deutlich seltener rechte und rechtsextreme Parteien unterstützen. Auch die umgekehrte Annahme ist richtig: Arbeitnehmer:innen, die mit ihren Arbeitsbedingungen und der Entlohnung unzufrieden sind und wenig Mitspracherecht haben, haben häufiger eine negative Einstellung zur Demokratie und sind anfälliger für rechte Narrative – wie die Hetze gegen Migrant:innen und gesellschaftliche Verrohung. 

Für alle demokratischen Kräfte muss jetzt klar sein: Der Kampf gegen Armut und für faire Arbeitsbedingungen in unserer sich schnell wandelnden Gesellschaft muss die erste Priorität sein!

Die Bewerber:innen um die europäischen Spitzenjobs

Neben den Vorsitzenden der einzelnen Fraktionen im EP müssen in den kommenden Wochen und Monaten auch andere Spitzenfunktionen wie der/die Kommissionspräsident:in, der/die Ratspräsident:in, der/die Parlamentspräsident:in und der/die EU-Außenbeauftragte besetzt werden. Das erste informelle Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs am Montag, den 17. Juni lieferte zwar keine Entscheidungen, einige Namen zeichnen sich aber bereits ab. 

Für Ursula von der Leyen (EVP), aktuelle Kommissionspräsidentin und Spitzenkandidatin der EVP, ist eine zweite Amtszeit äußerst wahrscheinlich. Ähnliches wird über die bisherige Parlamentspräsidentin Roberta Metsola (ebenfalls EVP) angenommen. Anders verhält es sich mit den aktuellen Positionen von Charles Michel (Renew) und Josep Borrell (S&D). Der ehemalige portugiesische Premierminister António Costa (S&D) wird als wahrscheinlicher Nachfolger Charles Michels als Ratspräsident gehandelt. Die estnische Premierministern Kaja Kallas (Renew) war bereits zwischen 2014 und 2018 Abgeordnete zum EU-Parlament und könnte Josep Borrell in der Position der EU-Außenbeauftragten beerben.

Die neuen Mehrheitsverhältnisse im Europäischen Parlament

Mit einer Einigung der EU-Staats- und Regierungschefs ist die Angelegenheit noch nicht erledigt, da das Europäische Parlament die Kommissionspräsidentin/-präsidenten noch bestätigen und die Parlamentspräsidentin noch wählen muss. Dafür müssen unter den Abgeordneten in ihren neuen und alten Fraktionen erst Mehrheiten gefunden werden.

Unbestritten stärkste und zweitstärkste Fraktionen sind die mitte-rechte EVP und die sozialdemokratische S&D-Fraktion. Die zuvor drittstärkste Renew, bisher „Königsmacher:innen“, wurde als Dritte verdrängt, indem die EKR durch neu hinzukommende Mitglieder wuchs. Ein Zusammenschluss der rechten und rechtsextremen Abgeordneten zu einer großen Fraktion wäre gefährlich, jedoch aufgrund mangelnder Kooperationsfähigkeit und teils drastischer inhaltlicher Differenzen – etwa in Bezug auf den Krieg in der Ukraine – in den rechten Lagern gleichzeitig unwahrscheinlich.

Für die zukünftige politische Arbeit im Parlament steht die Frage im Vordergrund, mit wem sich die EVP entscheidet zu kooperieren – und in welcher Intensität. Das Fazit ist eindeutig: Trotz des starken Rechtsrucks stellen die demokratischen Fraktionen die klare Mehrheit im Parlament dar.  Ihre Zusammenarbeit ist notwendig und unverzichtbar. Nur so können rechte Hetze und Populismus eingehegt und die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Millionen Europäer:innen verbessert werden.

Außerdem darf man nicht vergessen, dass es im Europäischen Parlament kein Fraktionszwang besteht. Einzelne Abgeordnete können in Abstimmungen von der Position ihrer politischen Partei abweichen. Das macht Mehrheiten volatil.