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Europäer:innen fordern soziale Kriterien bei öffentlicher Auftragsvergabe

Eine aktuelle Umfrage der europäischen Dienstleistungsgewerkschaft UNI Europa belegt: Die große Mehrheit der Europäer:innen befürwortet eine öffentliche Auftragsvergabe, die nicht nur den niedrigsten Preis berücksichtigt, sondern auch soziale Kriterien wie Kollektivverträge und faire Arbeitsbedingungen einbezieht. Die aktuelle Praxis zeigt nämlich: Ein "Race to the bottom", ausgelöst durch das Billigstbieterprinzip, hilft nur denen, die es sich ohnehin richten können, und untergräbt fairen Wettbewerb.

Klares Votum für verantwortungsbewusste Vergabepraxis

Die Umfrage, durchgeführt in sechs EU-Ländern (Tschechien, Frankreich, Deutschland, Irland, Polen und Spanien), zeigt eindeutige Ergebnisse: 65% der Befragten sprechen sich dafür aus, dass öffentliche Aufträge auf Basis einer Kombination aus Preis, Qualität, ökologischen und sozialen Kriterien vergeben werden sollten.

Nahezu die Hälfte (46,4%) der Befragten priorisiert dabei Löhne und Arbeitsbedingungen. Dies unterstreicht die wachsende Überzeugung, dass öffentliche Gelder nicht für die Förderung prekärer Beschäftigung verwendet werden sollten.

"Race to the bottom" schadet der Allgemeinheit und dem fairen Wettbewerb

Die gegenwärtigen EU-Vergaberegeln haben zu einer Situation geführt, in der öffentliche Aufträge überwiegend nach dem Prinzip des niedrigsten Preises vergeben werden. Laut einem Bericht des Europäischen Rechnungshofs aus dem Jahr 2023 werden in einigen Ländern über 80% der Aufträge sogar ausschließlich auf Basis des Preises vergeben.

Dies führt zu einem Unterbietungswettbewerb, bei dem Unternehmen gezwungen sind, Kosten zu senken – oft auf Kosten der Arbeitsbedingungen. Konkrete Beispiele gibt es ohne Ende, auch wir haben im vergangenen Oktober berichtet.

Auf die europäischen Wähler:innen hören: Öffentliche Gelder sollten Qualitätsarbeitsplätze unterstützen!

Die Umfrageergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit einer grundlegenden Reform der öffentlichen Auftragsvergabe in der EU. Mit einem Volumen von rund 15% des EU-BIP hat die öffentliche Beschaffung enormen Einfluss auf Arbeitsbedingungen und Löhne in Europa.

"Diese Ergebnisse sind ein dringender Handlungsaufruf. Die EU-Kommission sollte auf die europäischen Wähler:innen hören: Öffentliche Gelder sollten Qualitätsarbeitsplätze unterstützen, nicht Unternehmen, die fairen Wettbewerb untergraben und arbeitnehmer:innenfeindlich agieren", fordert Oliver Roethig, Regionalsekretär von UNI Europa.

Clean Industrial Deal: Chance für einen Kurswechsel

Obwohl die politischen Leitlinien von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für 2024-2029 eine Revision der EU-Vergaberegeln ankündigen, liegt der Fokus bisher hauptsächlich auf Effizienzsteigerung und Kosteneinsparungen.

Ein Hoffnungsschimmer ist der kürzlich vorgestellte "Clean Industrial Deal", der die Nutzung sozialer Bedingungen bei öffentlicher Finanzierung vorsieht, um sicherzustellen, "dass Arbeitnehmer:innen von der Unterstützung der Industrie profitieren, auch zur Förderung von Kollektivverhandlungen."

Die Umfrageergebnisse von UNI Europa zeigen deutlich: Die europäischen Bürger:innen erwarten, dass öffentliche Gelder verantwortungsvoll eingesetzt werden. Sie wollen eine Auftragsvergabe, die faire Löhne, gute Arbeitsbedingungen und Kollektivverträge fördert – und Unternehmen, die diese Standards unterlaufen, ausschließt.