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Gleichstellungsindex 2024: Fortschritt im Schneckentempo

Nina Calvo, VW Pics, Universal Images Group via Getty Images

Anfang Dezember wurde der neue Gender Equality Index des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen (EIGE) veröffentlich. Was er zeigt, ist eine Gesellschaft, in der die Gleichstellung von Frauen und Männern nur langsam vorankommt.

Der Gleichstellungsindex wird seit 2013 erhoben und misst die Gleichstellung in den 27 EU-Mitgliedsstaaten. Er berücksichtigt dabei verschiedene Dimensionen wie Arbeit, Geld, Wissen, Zeit, Macht und Gesundheit.

Arbeit als zentraler Hebel

Die Hauptursachen für die anhaltende Ungleichheit zwischen Frauen und Männern finden sich am Arbeitsmarkt und in der Beschäftigungspolitik - mit weitreichenden Auswirkungen auf alle anderen Lebensbereiche. Zentrale Fragen sind dabei ungelöst: Wer hat Zugang zu welchen Jobs in welchen Branchen? In welchen Hierarchieebenen arbeiten Frauen und Männer? Wie gestaltet sich die Entlohnung? Und nicht zuletzt: Inwieweit ermöglichen Arbeitsplätze die echte Vereinbarung von Privatleben und Beruf?

Von „Männer- und Frauenberufen“ und einer doppelten Trennung

Zwar hat sich die Lücke in der Einbindung von Frauen und Männern in den Arbeitsmarkt etwas verringert, die berufliche Trennung ist jedoch nach wie vor stark ausgeprägt – und zwar in doppelter Hinsicht.  Die eine Trennlinie verläuft horizontal: In Branchen mit einer recht guten Durchmischung, sieht die Realität für Frauen häufig so aus, dass ein Aufstieg in höhere Ebenen der Unternehmenshierarchie schlicht nicht stattfindet. Die andere vertikal: Frauen dominieren schlecht bezahlte Berufszweige wie Pflege oder Bildung, während Männer in hochbezahlten Branchen wie Technologie und Finance stark überrepräsentiert sind.

Zur „gläsernen Decke“ gesellt sich also die „gläserne Wand“.

Versteckte Lohnunterschiede

Wer sich mit Gleichstellung am Arbeitsplatz beschäftigt, weiß: Frauen verdienen für die gleiche Tätigkeit am gleichen Ort weniger als Männer – diese Art der Diskriminierung wird unter dem Begriff „Gender Pay Gap“ erfasst. Die offiziellen Zahlen zum Gender Pay Gap verschleiern dabei noch größere regionale und sektorale Unterschiede. Besonders deutlich wird dies beim Blick auf die Jahreseinkommen: Während beispielsweise der Gender Pay Gap in Belgien bei den Stundenlöhnen 12,5% beträgt, wächst er bei den Jahreseinkommen auf über 20% an. Die Stundenlöhne von Frauen und Männern liegen also mit 12,5 % deutlich näher aneinander als die Jahreseinkommen mit über 20 %. Grund dafür ist vor allem die hohe Teilzeitquote von Frauen. Dass der Gang in die Teilzeit oft genug nicht allein freiwillig passiert, sondern mit von Frauen verrichteten Erziehungspflichten von Kindern oder der Versorgung von Familienmitgliedern oder (noch banaler) mit Hausarbeit zusammenhängt, ist bekannt.

Die EU-Kommission hat in der letzten Legislaturperiode mit der Lohntransparenz-Richtlinie, der Work-Life-Balance-Richtlinie und der Mindestlohn-Richtlinie wichtige Instrumente geschaffen. Ihre wirksame Umsetzung wird nun entscheidend sein. 

Wettbewerbsfähigkeit braucht Gleichstellung

Um die „Wettbewerbsfähigkeit“ als Schlagwort und großes politisches Ziel kommt aktuell kaum jemand herum. Klar ist dabei, wer wettbewerbsfähig sein will, muss Gleichberechtigung fördern. Das klingt nicht nur schön, es ist auch ganz konkret:

  • Jede Frau, die nicht bei ihrem Job kürzen musste, um Angehörige zu pflegen, ist in der Pension weniger armutsgefährdet und damit weniger auf Unterstützungsleistungen angewiesen.
  • Frauen in Führungspositionen berücksichtigen die Bedürfnisse von weiblichen Arbeitnehmer:innen sehr viel häufiger und genauer. Abgesehen von wirtschaftlichen Erfolgen haben Unternehmen mit mehr Frauen im Management auch weniger Rechtsstreitigkeiten und Verwicklungen in Betrugsfälle zu verzeichnen. Wenn aber der Frauenanteil in österreichischen Geschäftsführungen zwischen 8 % (börsennotierte nicht-quotenpflichtige Unternehmen) und 18,5 % (staatsnahe Unternehmen) liegt, ist es wenig überraschend, dass hier etwas nicht funktioniert. (Quelle: AK Frauen.Management.Report 2024)
  • Eine gleichberechtigte Arbeitswelt erhöht die Innovationskraft der Unternehmen. Durchmischte Teams entwickeln nachweislich kreativere Lösungen und erschließen neue Märkte erfolgreicher. „Frauen bringen ein breites Spektrum an Fähigkeiten, Perspektiven und Ideen mit, die entscheidend sind für Innovation und Wettbewerbsfähigkeit“, weiß Sabine Herlitschka, Vizepräsidentin der Industriellenvereinigung (IV).

Neue Strategien und verpflichtende Maßnahmen erforderlich

Im Frühjahr 2025 soll von der Europäischen Kommission eine neue Roadmap für Frauenrechte vorgelegt werden, gefolgt von einer neuen Gleichstellungsstrategie. Als internationale Gewerkschaftsbewegung werden wir diesen Prozess kritisch begleiten. Denn eines zeigt der Index deutlich: Ohne verbindliche Regelungen und deren konsequente Umsetzung wird sich an den strukturellen Ungleichheiten wenig ändern.