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Labours schweres Erbe im britischen Arbeitsrecht

Die Labour-Party will das UK-Arbeitsrecht aus der Krise führen, doch Brexit und Tories hinterlassen schwieriges Erbe.

Unsplash / AXP Photography

Nach dem Brexit-Referendum 2016 und dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU 2020 wurde deutlich, dass ein erheblicher Teil der Arbeitnehmer:innenrechte im Vereinigten Königreich auf EU-Recht basiert. Die neue Labour-Regierung unter Keir Starmer versucht nun mit einer Arbeitsrechtsreform (Employment Rights Bill) den Anschluss an europäische Standards wiederherzustellen – ein ambitioniertes und komplexes Unterfangen.

Systematischer Abbau von Arbeitsrechten unter den Tories

Nicht nur der Brexit hat die Position der Arbeitnehmer:innen im Vereinigten Königreich geschwächt. Auch die Politik der konservativen Tory-Regierungen seit 2010 führte zu einer systematischen Aushöhlung von Arbeitnehmer:innen- und Gewerkschaftsrechten, die seit Thatcher ohnehin nicht mehr so stark ausgeprägt waren. Der Trade Union Act 2016 erschwerte Gewerkschaftsgründungen und die Durchführung von Streiks durch komplexe Abstimmungsregeln und zusätzliche Hürden. Der Strikes Act (Minimum Service Levels Act) 2023 schränkte das Streikrecht weiter ein. Zudem verlängerte die Tory-Regierung 2012 die Wartezeit für den Kündigungsschutz von einem auf zwei Jahre.

Die neue Arbeitsrechtsreform sieht nun die Rücknahme dieser gewerkschaftsfeindlichen Gesetze vor. Das ist ein wichtiger Schritt zur Wiederherstellung grundlegender Standards.

Britische Standards weit unter EU-Niveau

Die Fakten sprechen eine deutliche Sprache: Das Vereinigte Königreich liegt bei nahezu allen Indikatoren des Arbeitnehmer:innenschutzes deutlich unter dem OECD-Durchschnitt, wie eine aktuelle Analyse der Universität Cambridge zeigt. Die Schutzstandards erreichen lediglich die Hälfte des französischen Niveaus und liegen deutlich unter jenen Spaniens, Italiens und Deutschlands. Besonders groß ist der Aufholbedarf bei der Arbeitszeitregulierung, dem Kündigungsschutz und den kollektiven Rechten.

„Mind the gap“ zu EU-Standards

Der Blick auf wichtige EU-Richtlinien der letzten Jahre, wie die Work-Life-Balance- oder die Transparenzrichtlinie, macht das Problem deutlich. Während die britische Arbeitsrechtsreform nun einen Pflegeurlaub einführt und bei der flexiblen Arbeit über EU-Standards hinausgehen will, bleiben Lücken: Die Wartezeit für Anspruch auf Elternzeit muss noch abgeschafft werden.

Auch die Plattformökonomie bleibt unreguliert: Während die EU mit ihrer Plattformarbeits-Richtlinie endlich Standards für die Beschäftigten digitaler Plattformen setzt, bleiben im Vereinigten Königreich tausende Fahrer:innen von Deliveroo und Co. von der Reform ausgeschlossen, da sie weiterhin mit Umgehungsverträgen als (Schein-)Selbstständige beschäftigt sind.

Reform kommt langsam

Die Regierung plant, 2025 mit Konsultationen zu beginnen. Die meisten Reformen sollen nicht vor 2026 in Kraft treten, der verbesserte Kündigungsschutz sogar erst im Herbst 2026. Dies stößt bei Gewerkschaften auf Kritik. Die Verzögerung bedeutet, dass Arbeitnehmer:innen noch länger auf grundlegende Rechte warten müssen.

Die praktische Umsetzung der Reformen wirft weitere Fragen auf. So muss geklärt werden, wie die neuen Bestimmungen zum Kündigungsschutz ab Tag eins mit der vorgesehenen neunmonatigen Probezeit vereinbar sind. Auch die Kriterien für die Option auf flexible Arbeit und die Durchsetzung der neuen Rechte durch die geplante Fair Work Agency warten noch auf Konkretisierung.

Gewerkschaften zwischen Zustimmung und Skepsis

Die gewerkschaftlichen Reaktionen fallen unterschiedlich aus. Man betont, dass die Details der Umsetzung entscheidend sein werden. Der britische Gewerkschaftsbund TUC begrüßt die Reformen als „wichtigen Schritt in die richtige Richtung“ und betont die Chance, Gewerkschaften wieder besser in modernen Arbeitsplätzen zu verankern. Allerdings mahnt TUC-Generalsekretär Paul Nowak, dass viele wichtige Details noch ausgearbeitet werden müssen.

Die Gewerkschaft Unite äußert sich deutlich kritischer. Sie bemängelt insbesondere die ihrer Ansicht nach unzureichenden Maßnahmen gegen Null-Stunden-Verträge und die Praxis des "Fire and Rehire" (Entlassung und Wiedereinstellung zu schlechteren Bedingungen) sowie die verwässerten Bestimmungen zur gewerkschaftlichen Organisation. Ein ursprünglich starker Gesetzesentwurf sei, so die Kritik, „löchriger als Schweizer Käse“ gemacht worden.

Ausblick: Der lange Weg zurück zu europäischen Standards

Die Arbeitsrechtsreform zeigt exemplarisch die Herausforderungen eines post-Brexit Arbeitsrechts. Während die EU-Mitgliedschaft einen klaren Rahmen mit Mindeststandards bot, muss das Vereinigte Königreich nun mühsam eigene Regelungen entwickeln. Wie die Cambridge-Studie belegt, hat sich die rechtliche Situation von Arbeitnehmer:innen seit 2010 verschlechtert.

Die kommenden Monate werden zeigen, ob es der Labour-Regierung gelingt, ihre ambitionierten Pläne so umzusetzen, dass UK tatsächlich wieder zu soliden Standards zurückfindet.