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US-Wahl 2024: Neue Herausforderungen für Arbeitnehmer:innen und Gewerkschaften

Der Wahlsieg Donald Trumps über Kamala Harris markiert eine Zäsur für die US-Gewerkschaftsbewegung. Trotz der stärksten gewerkschaftlichen Mobilisierung der jüngeren Geschichte konnte die demokratische Kandidatin die Präsidentschaft nicht gewinnen. Die Auswirkungen dieser Wahl auf Arbeitnehmer:innenrechte und Gewerkschaften sind nun zentral.

Unsplash / The Now Time

Gewerkschaftliche Unterstützung für Harris

Die Mehrheit der Gewerkschaftsmitglieder – 57% laut Wahltagsbefragungen – stimmte für Harris. Diese Unterstützung kam nicht überraschend: Die Biden/Harris-Administration hatte sich als arbeitnehmer:innenfreundlichste US-Regierung der letzten Jahrzehnte erwiesen. Joe Biden ist der erste US-Präsident, der einen aktiven Streik besuchte, nämlich Automobilarbeiter:innen der Gewerkschaft United Auto Workers (UAW).

Wichtige Erfolge der letzten Jahre

Unter Biden und Harris wurden zentrale Verbesserungen für Arbeitnehmer:innen erreicht:

  • Ausweitung des Anspruchs Überstundenvergütung auf Jahreseinkommen bis 58.656 $. Das sind ca. 55.000 €.
  • Stärkung der US-Arbeitsbehörde National Labor Relations Board (NLRB)
  • Absicherung von Millionen Pensionen
  • Verpflichtende Arbeitsstandards bei öffentlichen Aufträgen

Besonders der „Inflation Reduction Act“ setzte neue Maßstäbe: Er verknüpfte öffentliche Förderungen mit Gewerkschaftsstandards, schuf 270.000 neue „grüne“ Arbeitsplätze und sieht die Schaffung von 1,5 Millionen weiteren Jobs vor.

Die „Cost of Living Crisis“ als entscheidender Faktor

Die Wahlniederlage von Harris lässt sich nicht mit mangelndem Engagement für Arbeitnehmer:innen erklären. Vielmehr zeigen Analysen, dass die massiv gestiegenen Lebenshaltungskosten wahlentscheidend waren. Trotz positiver Wirtschaftsdaten wie niedrige Arbeitslosigkeit und steigende Reallöhne leiden viele Familien unter konkreten finanziellen Belastungen: Die Kreditzinsen verdoppelten sich und Inflation trieb die alltäglichen Ausgaben wie Lebensmittel in die Höhe.

Zwar konnte die Demokratische Regierung mit umfangreichen Hilfsprogrammen zunächst gegensteuern, doch wichtige Unterstützungen wie der steuerliche „Kinderfreibetrag“ oder Zuschüsse zu Lebensmittelausgaben liefen aus. Diese spürbare Verschlechterung der Lebenssituation vieler Familien überschattete die grundsätzlich arbeitnehmer:innenfreundliche Politik von Biden und Harris.

Gewerkschaftliche Organisierung unter Druck

Die jüngsten Erfolge bei der gewerkschaftlichen Organisierung – etwa die Gründung von über 500 Gewerkschaften bei Starbucks – könnten nun gefährdet sein. Trumps erste Amtszeit war von einer gewerkschaftsfeindlichen Politik geprägt: Er schwächte das NLRB durch die Besetzung mit unternehmensorientiertem Personal, verhinderte Lohnerhöhungen für öffentlich Bedienstete und erleichterte die Umgehung von Arbeitnehmer:innenrechten.

Zölle statt Arbeitnehmer:innenschutz

Während Trump mit Zöllen auf chinesische Produkte wirbt, zeigt die Erfahrung seiner ersten Amtszeit: Diese Politik brachte keine nennenswerten Verbesserungen für US-Arbeitnehmer:innen. Im Gegenteil: 2019 verloren allein in den Bundesstaaten Pennsylvania, Ohio und Michigan über 16.000 Menschen ihre Arbeitsplätze in der Produktion.

Internationale Gewerkschaftssolidarität

Der Europäische Gewerkschaftsbund (ETUC/EGB) und sein Präsident Wolfgang Katzian bekräftigen ihre Solidarität mit den US-Kolleg:innen: „Egal wer an der Macht ist, der Zusammenschluss in Gewerkschaften ist immer die beste Hoffnung für arbeitende Menschen. Wir werden die Solidarität zwischen den Arbeitnehmer:innen auf beiden Seiten des Atlantiks weiter ausbauen“. Gerade in politisch und wirtschaftlich schwierigen Zeiten ist die gewerkschaftliche Organisierung der beste Weg, Arbeitnehmer:innenrechte zu verteidigen.

Lehren für Österreich und Europa

Die US-Entwicklungen mahnen zur Wachsamkeit: Auch hierzulande versuchen rechtspopulistische Kräfte, Arbeitnehmer:innen mit arbeiterfreundlich klingender Rhetorik zu gewinnen. Die detaillierte Analyse der Trump-Kampagne zeigt eine Strategie, die wir auch in Europa kennen. In Reden wird häufig über Jobs und „den kleinen Mann“ gesprochen. Anschließend wird aber Politik gemacht, die sich an Gewinninteressen von Unternehmer:innen orientiert und die Schwächung von Arbeitnehmer:innenrechten und damit die Senkung der allgemeinen Lebensqualität bewusst in Kauf nimmt.

Unsere Antwort muss sein: Konsequente Interessenvertretung, starke betriebliche Mitbestimmung und der weitere Ausbau der österreichischen und europäischen Sozialpartnerschaft. Wohlstand und soziale Sicherheit für alle sind unser Ziel. Die US-Erfahrungen bestärken uns darin, dass kollektive Organisierung und starke Gewerkschaften der beste Schutz für Arbeitnehmer:innenrechte sind.