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Von der Leyen wiedergewählt: Pläne für Europa

Johannes Simon/Getty Images

Mit 401 von 707 abgegebenen Stimmen erhielt Ursula von der Leyen ein stärkeres Mandat als bei ihrer ersten Wahl zur Kommissionspräsidentin 2019. Die breite Unterstützung umfasste ihre eigene konservative EVP-Fraktion sowie Teile der Sozialdemokratie, der Liberalen und der Grünen.

Was sind die politischen Leitlinien?

Die politischen Leitlinien sind das Dokument, in dem Ursula von der Leyen ihre Absichten für die Periode 2024-2029 darlegt. Sie dienen den EU-Parlamentarier:innen als Entscheidungsgrundlage für die Wahl der Kommissionspräsidentin. Im Vorfeld der Abstimmung haben die Fraktionen im EP ihre eigenen Prioritäten veröffentlicht und darüber versucht, Einfluss auf von der Leyens Leitlinien zu nehmen. 

Von der Leyens Prioritäten für die kommenden fünf Jahre

In ihrer Rede vor dem Europäischen Parlament skizzierte von der Leyen ihre Vision für die nächste Amtszeit. Ihre Hauptprioritäten: Nachhaltiger Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit mit einem neuen Wohlstandsplan, Vereinfachung von Unternehmensregelungen, ein "Clean Industrial Deal". Europäische Verteidigung und Sicherheit stehen ebenfalls im Fokus, einschließlich des Aufbaus einer Verteidigungsunion mit verstärktem Grenzschutz. Zum Schutz der Demokratie plant sie Maßnahmen gegen Desinformation und zur Stärkung der Rechtsstaatlichkeit. Außerdem wird die globale Rolle Europas mit einer neuen wirtschaftlichen Außenpolitik betont.

Fahrplan für hochwertige Arbeitsplätze und ein neuer Pakt für den Europäischen Sozialdialog

Als neue Kommissionspräsidentin will sie die gemeinsam mit den europäischen Sozialpartner:innen ausgearbeitete „Quality Jobs Roadmap“ umsetzen und dadurch gute Arbeitsbedingungen, faire Bezahlung, Zugang zu Ausbildungen fördern und für eine sozial gerechte grüne und digitale Transformation sorgen.

Außerdem soll bis Anfang 2025 in Zusammenarbeit mit den europäischen Gewerkschaften und Arbeitgeber:innenverbänden ein neuer Pakt für den europäischen Sozialdialog entstehen. Das ist dringend notwendig, da sich die Zusammenarbeit mit den Arbeitgeber:innen in den vergangenen Jahren zunehmend schwierig gestaltet: Zwei von drei Arbeitgeber:innenverbänden verließen 2023 nach über einem Jahr Verhandlungsarbeit am Übereinkommen zu Telearbeit den Tisch. Auch die Verhandlungen zur neuen Richtlinie über Europäische Betriebsräte liefen aufgrund mangelhafter Kooperationsbereitschaft zäh.

Klar ist: Sozialen Frieden kann es nur mit Kooperation geben, weshalb wir in Österreich und als europäische Gewerkschaftsbewegung an einer guten Zusammenarbeit mit den Arbeitgeber:innen interessiert sind.

Neu: EU-Strategien für leistbaren Wohnraum und gegen Armut

Von der Leyen hat erstmals konkrete EU-weite Initiativen zur Bekämpfung der Wohnungskrise und Armut angekündigt. Die geplante europäische Strategie für bezahlbares Wohnen soll Mitgliedsstaaten dabei unterstützen, leistbaren Wohnraum zu schaffen und Obdachlosigkeit zu reduzieren. Gleichzeitig soll eine umfassende Strategie zur Armutsbekämpfung entwickelt werden, die sich insbesondere auf Kinderarmut und die Verbesserung von Chancen für benachteiligte Gruppen konzentriert. Damit betont von der Leyen ihr Bekenntnis zur Europäischen Säule Sozialer Rechte.

Keine Deregulierung auf dem Rücken der Arbeitnehmer:innen!

Auch wenn einige positive Vorhaben im Bereich des Sozialen in ihren Leitlinien vorhanden sind, so sind sie eindeutig nicht von der Leyens Priorität. Es überwiegen die Vorhaben zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit für Unternehmen.

Der starke Fokus auf Deregulierung ist ein Problem. Deregulierung, auch wenn sie als „Bürokratieabbau“ verkauft wird, bedeutet meist auch einen Abbau von Regeln, die gute Arbeitsplätze absichern. Es geht also beispielsweise um ein Aufweichen des Kündigungsschutzes, die Zunahme prekärer Beschäftigung, instabile Arbeitsverhältnisse, Privatisierungen und Liberalisierungen (z.B. im Energiemarkt oder in der Wasserversorgung), die Ausweitung von Arbeitszeiten, etc. Gleichzeitig ist davon auszugehen, dass kaum neue sozialpolitische Impulse gesetzt werden.

Verschärft wird diese Schieflage durch die Sparmaßnahmen, die sich die EU noch Ende der letzten Legislaturperiode gegeben hat. Investitionen in die Zukunft werden dadurch massiv erschwert.

Worten Taten folgen lassen

Wir werden Ursula von der Leyen beim Wort nehmen. Gute Arbeit und die sozial gerechte Ausgestaltung der grünen und digitalen Transformation sind für die europäischen Gewerkschaften nicht verhandelbar. Sobald die neue EU-Kommission feststeht, erwarten wir eine zügige Umsetzung der im Programm beschriebenen Vorhaben unter klarer Berücksichtigung von Arbeitnehmer:inneninteressen.