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Warum das Gegenrechnen der Teuerungshilfen unhaltbar ist 

Portrait von David Mum, Leiter der Grundlagenabteilung der Gewerkschaft GPA

 

DAVID MUM ist Ökonom und Leiter der Grundlagenabteilung der Gewerkschaft GPA. 

Portrait von Robin Perner, Ökonom in der Gewerkschaft GPA

 

ROBIN PERNER ist Ökonom in der Grundlagenabteilung der Gewerkschaft GPA. Neben ökonomischen Fragestellungen beschäftigt er sich mit Steuer-Recht & Politik sowie der betrieblichen Altersvorsorge.

Zur Abfederung der Auswirkungen diverser Krisen der letzten Jahre wurden teilweise weitreichende Entlastungspakete von der Bundesregierung durchgesetzt. Nun wollen ArbeitgeberInnen im Zuge der Lohnverhandlung insbesondere die Teuerungs-Entlastungen „gegenrechnen“, um niedrigere Lohnerhöhungen zu erwirken.

Das ist spannend, da weitreichende, wenig treffsichere und intransparente Unternehmenshilfen während der Corona-Krise (in Summe bis dato 46,5 Mrd. – davon rund 30 Mrd. direkt für Unternehmen, wenn man die Kurzarbeit und die Gesundheitsausgaben abzieht) niemals aufgerechnet wurden. 

Doch es gibt noch weitere Gründe, die deutlich gegen ein Aufwiegen der Teuerungsmaßnahmen bei den KV-Verhandlungen sprechen. 

Es gab Unterstützung für Unternehmen – und zwar nicht zu kurz 

Folgende Maßnahmen wurden zur Stützung der österreichischen Unternehmen seit der ökosozialen Steuerreform und im Zuge der Energiekrise beschlossen: 

  • Senkung der Elektrizitäts- und Erdgas-Abgaben
  • Aussetzen Ökostrompauschale & Ökostromförderbeitrag
  • Agrardiesel-Kostenausgleich
  • Treibstoffrückvergütung für KMUs
  • Einmalige Strompreiskompensation für Schwerindustrie
  • Unterstützung für Betriebe zum raschen Umstieg auf alternative dekarbonisierte Antriebsformen
  • Investitionsoffensive für Windkraft und Photovoltaik Projekte
  • Senkung Lohnnebenkosten: -0,1 % UV-Beitrag, -0,2 % FLAF-Beitrag:
  • Erhöhung Umsatz- und Einheitswertgrenzen bei Land- und Forstwirten
  • Sozialversicherungsbonus für Selbstständige und Bauern
  • Energiekostenzuschuss
  • Senkung der Körperschaftsteuer 

In Summe ergibt sich in den Jahren 2022 und 2023 ein Entlastungsvolumen für Unternehmen von knapp 4 Milliarden €. Damit ist jedoch nicht Schluss. Denn direkt nach der erst kürzlich erfolgten Ankündigung der Aufstockung des nun 1,3 Milliarden-schweren Stromkostenzuschusses forderten Vertreter der ArbeitgeberInnen unmittelbar eine Aufstockung sowie eine Gaspreisunterstützung nach deutschem Vorbild

Whistleblowing macht sichtbar und hörbar, was oftmals eher unangenehm ist.

Und die Unterstützungen für die Haushalte?

Die Entlastungsmaßnahmen für private Haushalte sind auf den ersten Blick vielleicht höher, jedoch bedarf es hier einer genaueren Einordnung. 

  • Ein Großteil der Hilfsmaßnahmen kommt allen Haushalten (Strompreisbremse, Energiekostenzuschuss oder Klimabonus) zugute, ohne dass es eine Anbindung an die Erwerbstätigkeit gibt.
  • Einige Teile der Unterstützung sind direkt an den Bezug von Transferleistungen geknüpft bzw. sind speziell an PensionistInnen gerichtet.
  • Die Abgeltung der Kalten Progression ist dezidiert keine Entlastungsmaßnahme, sondern bewirkt nur, dass die Steuerbelastung auf dem gewünschten Niveau verharrt.  Sie bezweckt zwar, dass mehr Netto von Brutto bleibt, bedeutet aber kein höheres Bruttogehalt, was das inhärente Ziel der Lohnverhandlungen ist.

Wenn man also die Hilfsmaßnahmen um diese Effekte bereinigt und nur jenen Anteil berücksichtigt, der direkt ArbeitnehmerInnen zugutekommt, ergibt sich für die Jahre 2022/2023 ein Volumen von rund 4,3 Milliarden €.

Wir sehen: Die finanziellen Unterstützungen sind nahezu gleich auf Arbeitgeberinnen und Beschäftigte verteilt.

Das ist natürlich nur dann relevant, wenn man aus den größten wirtschaftlichen Verwerfungen seit dem 2. Weltkrieg händeringend Argumente für niedrigere Lohnabschlüsse erfinden möchte. Hingegen könnte man auch akzeptieren, dass in Krisenzeiten staatliche Interventionen bei allen AkteurInnen notwendig sind, um das Überleben der Wirtschaft und die damit verbundenen Arbeitsplätze zu sichern. Das hat auch die Covid-Krise gezeigt, in der sowohl die Kurzarbeit als auch die Unternehmenshilfen dafür gesorgt haben, dass der wirtschaftliche Aufschwung sofort nach Ende der Lockdowns starten konnte.

Neben der nahezu gleich hohen finanziellen Unterstützung für Unternehmen und Beschäftigten ist insbesondere die Finanzierung der Maßnahmen ein Punkt, der die Forderung nach der Gegenrechnung besonders sarkastisch erscheinen lässt. 

Die Maßnahmen finanzieren wir uns zu großen Teilen selbst 

Entgegen dem durch die Forderung nach Gegenrechnung entstehenden Anschein, haben nicht die Unternehmen die Hilfsmaßnahmen finanziert. Die Entlastungspakete werden aus Steuergeldern bzw. Neuverschuldung finanziert. Dabei tragen Steuern auf Unternehmensgewinne, Kapital und Vermögen nur einen sehr geringen Anteil zur Staatsfinanzierung in Österreich bei. Der Großteil der Steuereinnahmen, nämlich rund 80 %, ist auf Steuern und Abgaben auf Arbeit sowie Konsumsteuern zurückzuführen. 

Damit ist klar, dass wir uns als ArbeitnehmerInnen und KonsumentInnen diese Entlastungspakete zu 80 % selbst bezahlen. Würden wir dann auch noch im Zuge der Lohnverhandlungen auf Erhöhungen verzichten, so würden wir uns die Entlastungmaßnahmen doppelt selbst bezahlen.

Die Zusammensetzung der Staatsfinanzierung macht deutlich, dass nicht alle den gleichen finanziellen Beitrag für unsere Gesellschaft leisten. Durch die anstehende Senkung der KÖSt und des Beitrages zum FLAF werden Unternehmen noch weiter aus der Verantwortung entlassen. Dass sie dann auch noch fordern, die Hilfen, zu deren Finanzierung sie ohnehin bereits wenig beitragen, gegenzurechnen, ist ein Hohn.

Ganz im Gegenteil: Es muss endlich eine stärkere Besteuerung von Vermögen, Erbschaften und Unternehmensgewinnen in den Fokus rücken. Es gibt aufgrund der multiplen Krisen genug Kosten, die es gleich innerhalb der Gesellschaft zu verteilen gilt.
Ein erster Schritt muss dabei die Abschöpfung von Übergewinnen sein, welche durch Profiteure der Krise erzielt werden. Denn die Gewinne sind im Jahr 2022 deutlich gestiegen. 

Die wirtschaftliche Entwicklung war 2022 besser als erwartet und die Unternehmen haben gut verdient 

Die aktuelle Konjunkturprognose des WIFO aus dem Oktober zeigt eindeutig, dass sich die Wirtschaft 2022 weitaus besser entwickelt hat, als es zu Jahresbeginn erwartet wurde. Insbesondere die Unternehmen schauen auf ein bisher gutes Jahr zurück:

Besonders markant ist, dass Gewinne und Selbstständigen-Einkommen heuer viel stärker wachsen als die Löhne. Die Gewinne steigen nominell um 10,8 %, die Lohnsumme um 6,6 %. In Absolutbeträgen schaut das so aus: Lohnsumme plus 11 Mrd., Gewinne plus 18,1 Mrd.

  • Noch im März prognostizierte das WIFO für den erzeugenden Bereich (Herstellung von Waren) 2022 ein Nullwachstum. Im Oktober wird hingegen von einem Zuwachs von 3,3 % ausgegangen.
  • Die Exporte legten auch viel stärker zu, als im Frühjahr erwartet. Statt 6,1% reales Wachstum, das im März prognostiziert wurde, geht man im Oktober von 9,4 % real aus.
  • Die Gesamtwirtschaft wuchs im ersten Quartal um 10,1 %, im 2. um 6 %. Trotz Abschwächung ist im Gesamtjahr mit einem sehr hohen Wachstum von 4,8 % zu rechnen.
  • Die gute Entwicklung führt dazu, dass trotz des Energiepreisanstiegs und der damit verbundenen importierten Inflation die Leistungsbilanz positiv bleibt. Auch hier ging man zu Jahresbeginn von einem Minus aus. Ein Plus in der Leistungsbilanz bedeutet, dass wir trotz der Verteuerung vieler importierter Rohstoffe und Energie mit dem Ausland im Saldo ein Plus machen. Es fließt sogar in der jetzigen Situation mehr Geld aus dem Ausland nach Österreich als umgekehrt.
  • Besonders markant ist, dass Gewinne und Selbstständigen-Einkommen heuer viel stärker wachsen als die Löhne. Die Gewinne steigen nominell um 10,8 %, die Lohnsumme um 6,6 %. In Absolutbeträgen schaut das so aus: Lohnsumme plus 11 Mrd., Gewinne plus 18,1 Mrd. Auch das ist ein neues Bild. Zu Jahresbeginn gingen die Forschungsinstitute vom Gegenteil aus, nämlich dass die Gewinne nur halb so hoch wachsen wie die Löhne. Es kam anders. Das heißt, dass die Unternehmen in Summe gut verdient haben, dass sie in Summe Kostenerhöhungen über die Preise weitergeben konnten. 

Der Anstieg der Gewinne und Kapitaleinkommen führt zu einem Sinken der Lohnquote. Diese sinkt heuer von 68,6 % 2021 auf 67 % 2022. 

"Die Unternehmensprofite steigen heuer kräftig. Unternehmen sind offenbar nicht nur in der Lage, ihre höheren Kosten weiterzugeben, sie können sogar ihre Gewinne deutlich erhöhen."

Wifo-Ökonom Christian Glocker

Für 2022 geht die Wirtschaftsprognose aufgrund der hohen Inflationsrate von sinkenden Reallöhnen in Höhe von - 4,2 % aus. Das macht deutlich, dass die diesjährigen KV-Abschlüsse über der Inflationsrate liegen müssen, um die Kaufkraft zu sichern und damit auch die Konjunktur zu stabilisieren. Denn bei abschwächender Weltwirtschaft ist vor allem die inländische Nachfrage wichtig, um das Überleben von Unternehmen und Arbeitsplätzen zu sichern. 

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