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Inflation – und jetzt?

 

 

ROBIN PERNER ist Ökonom in der Grundlagenabteilung der Gewerkschaft GPA. Neben ökonomischen Fragestellungen beschäftigt er sich mit Steuer-Recht & Politik sowie der betrieblichen Altersvorsorge.

Die Inflationsrate, also die allgemeine Teuerung, ist im März auf 6,8 % und damit auf ein Niveau gestiegen, dass wir seit November 1981 nicht mehr gesehen haben. Aufgrund der wirtschaftlichen Erholung nach Corona, bestehenden Lieferengpässen und der geopolitischen Situation im Ukraine-Krieg ist ein jähes Ende der Preissteigerungen vorerst nicht in Sicht.

 

Deutlich wird immer mehr, dass die Preissteigerungen insbesondere kleine und mittlere Einkommen stärker trifft und dass es daher sowohl starke Lohn- und Gehaltsabschlüsse in den Kollektivvertragsverhandlungen als auch steuerpolitische Maßnahmen der Regierung abseits davon braucht. 

Es gibt viele Fragen zu diesem emotionalen Thema, das uns alle betrifft:

  • Welche Güter werden teurer und was genau sind die Auslöser der aktuellen Preissteigerungen?
  • Sind die Lohnerhöhungen mit für höhere Preise verantwortlich oder ist das nur ein Märchen?
  • Wie kann der Preissteigerung entgegengewirkt werden, um jene zu entlasten, die am härtesten betroffen sind?  

 

Hier erfährst du alles, was du wissen musst, um in der Inflationsdebatte mitreden zu können.

 

Was sind die aktuellen Preistreiber? 

Die Preise sind weit Beginn der Corona-Krise 202 unterschiedlich stark gestiegen. Während am Beginn der Corona-Krise die Preise unter dem 2% Inflationsziel der Europäischen Zentralbank zurückblieben, (insbesondere durch sinkende Preise für Treibstoffe und Nahrungsmittel) sind die Preise für Energie, Verkehr und Lebensmittel aktuell die großen Preistreiber. 

Die Inflation wird mit dem Verbraucherpreisindex (VPI) gemessen. Anhand eines definierten Warenkorbs wird die Entwicklung der Preise beobachtet. Die VPI-Daten für März 2022 zeigen, dass 57 % der Preissteigerung zum Vorjahr alleine auf Verkehr (Treibstoffe) sowie Wohnen und Haushaltsenergie zurückzuführen sind. Aber auch Lebensmittel nehmen mit 0,6 Prozentpunkten (9% der aktuellen Inflation) einen immer größer werdenden Anteil ein.

Durch die steigenden Treibstoffkosten und Lebensmittelpreise wird vor allem der wöchentliche Einkauf viel teurer. Da die hohen Energiekosten langsam aber sicher auch in den Produktions- und Transportkosten Niederschlag finden, werden große Anteile der Güter zukünftig Preissteigerungen aufweisen. 

Warum steigen die Preise aktuell so stark? 

  1. Der erste Faktor, welcher bei den steigenden Preisen ab dem Frühjahr 2021 eine große Rolle spielte, sind sogenannte Basiseffekte und hängen mit der Berechnung des VPI zusammen. Die Inflationsraten, welche die Statistik Austria monatlich veröffentlicht, beziehen sich immer auf die Preissteigerung im Vergleich zum selben Monat des Vorjahres. Waren also die Preissteigerungen sehr gering oder sogar negativ, wie etwa bei Verkehr im Großteil des Jahres 2020, führt eine Rückkehr zu „normalen“ Preissteigerungsraten im Jahr darauf auch automatisch zu einem höheren VPI. Diese Basiseffekte haben den Anstieg der Inflation im Jahr 2021 erklärt, die aktuelle Inflation ist jedoch durch die Angebots-Seite getrieben.
  2. Der zweite große Faktor ist die gute Wirtschaftslage beginnend im Frühjahr 2021. Mit den Lockerungen in der Corona-Politik ging es auch wirtschaftlich wieder bergauf: Die ÖsterreicherInnen kauften mehr ein und sparten weniger an als während der harten Maßnahmen. Dieser Prozess führte zu hohen Wirtschaftswachstumsraten von weltweit rund 6 % (in Österreich aufgrund des Winterlockdowns 2021 nur 4,5 %). Durch die rasche, kollektive Nachfragesteigerung auf der ganzen Welt wurden jedoch auch Lieferengpässe und Rohstoffknappheiten offenbart, welche zu hohen Preissteigerungen geführt haben. Ein Container-Schiff, das mit Konsumgütern üblicherweise rund 60 Tage von China nach Europa unterwegs ist, benötige zuletzt mit 108 Tagen fast doppelt so lang aufgrund der gestörten Lieferketten. Die weitere Verstärkung der Lieferkettenproblematik ist aufgrund von harten Lockdowns in China,  wie seit Anfang April in Shanghai, vorprogrammiert und wird sich weiterhin nachhaltig auf die Preise von Importgütern auswirken.
  3. Der dritte entscheidende Grund für die hohen Preissteigerungen liegt im Ukraine-Konflikt, welcher Ende Februar begonnen hat. Die große Abhängigkeit Österreichs von russischen Erdöl- und Erdgas-Importen hat dazu geführt, dass wir von den steigenden Preisen auch besonders stark betroffen sind. Trotz der weiterhin aufrechten Lieferungen russischen Erdgases sind die Preise, die auf Börsen entstehen, aufgrund von Unsicherheit über die zukünftige Versorgungssicherheit in die Höhe geschossen. In Situationen großer Unsicherheit haben auch Spekulationen auf weiter steigende Preise eine verstärkende Auswirkung auf die tatsächliche Preisentwicklung. Obwohl Österreich mit knapp 80 % einen sehr hohen Anteil am eigenen Stromverbrauch durch erneuerbare Energieträger produziert, steigen die Preise durch das Strommarkt-Design in der EU an. Durch das Merit-Order System ist immer das letzte Kraftwerk, welches für die Deckung des Strombedarfs notwendig ist, preisbestimmend. Gerade zu Spitzenlast-Zeiten ist die Abdeckung durch erneuerbare Energien nicht möglich, weswegen Gaskraftwerke notwendig sind, was auch die Preise für Strom stark steigen ließ. 

Das Märchen von der Lohn-Preis-Spirale  

In der Debatte um die Preissteigerung wird von WirtschaftsvertreterInnen gerne die sogenannte Lohn-Preis-Spirale ins Spiel gebracht. Angeblich sollen die kollektivvertraglichen Lohnerhöhungen Auslöser und Grund der Preissteigerung sein, weswegen zur Mäßigung bei den Forderungen aufgerufen wird. Bei genauer Betrachtung ist diese Argumentation wenig plausibel.

 

Betrachten wir den Preisindex der gesamten inländischen Produktion, erkennen wir: Gewinne tragen mehr zu den Preissteigerungen der inländischen Produktion bei, als die Löhne.

 

Zuerst muss zur aktuellen Situation festgehalten werden, dass die hohe Inflation von der Angebotsseite entsteht. Aber auch abseits der derzeitigen Inflation bleibt von der Lohn-Preis-Spirale wenig Stichhaltiges über:      

 

Die gewerkschaftlichen Lohnforderungen orientieren sich stets am 12-Monate Durchschnitt der vergangenen Inflation. Durch die rückwärtsgewandte Lohnpolitik kann man daher sogar eher von einer preisstabilisierenden Wirkung sprechen. Die aktuellen 12-Monatsdurchschnitte sind noch weit von den aktuellen Monats-Inflationsraten entfernt.

Auch in den letzten 20 Jahren gibt es keinerlei Evidenz dafür, dass Lohnabschlüsse in Österreich zu höherer Inflation beigetragen haben. Es kommt letztlich nicht auf den Anstieg der Löhne alleine an, sondern auf die Lohnstückkosten. Die Lohnstückkosten messen nicht die Löhne je Arbeitsstunde, sondern je produzierter Einheit. Wenn durch Produktivitätssteigerungen pro Stunde mehr erzeugt wird, steigen die Lohnstückkosten geringer als die Löhne.

Aktuell zeigen die Prognosen des WIFO, dass die Lohnstückkosten, also die Kosten für Löhne pro Arbeitsstunde, im Jahr 2022 nur um 1,8% steigen sollen. Das liegt somit unter dem 2% Inflationsziel der Europäischen Zentralbank (EZB) und damit kommt von dieser Seite kein inflationärer Druck. 

Die Lohnstückkosten lagen auch in den letzten 20 Jahren fast immer unter der Zielinflationsrate. Die einzig großen Ausnahmen in den Jahren 2008 und 2020 sind durch einen Einbruch des Outputs (Krisen) und nicht durch eine übermäßige Erhöhung der Löhne zu erklären.

Statt der Fixierung auf die Lohn-Preis-Spirale wäre stattdessen die Frage nach einer Gewinn-Preis-Spirale gerechtfertigt. Betrachtet man die Zusammensetzung des BIP-Deflators, das ist der Preisindex der gesamten inländischen Produktion, erkennt man, dass die Gewinne mehr zu den Preissteigerungen der inländischen Produktion beitragen als die Löhne. Gewinnzurückhaltung wird aber selten medial gefordert.

Genauso könnte das Augenmerk stattdessen auf eine Miet-Preis-Spirale gerichtet werden. Durch die Indexierung der (Richtwert-)Mieten an den VPI sorgen die aktuell hohen Energiepreise, die ohnehin von den MieterInnen getragen werden, für steigende Mietpreise die im nächsten Schritt wieder die Inflation anheizen. Das macht ökonomisch gesehen keinen Sinn.  

Was kann gegen die Inflation getan werden?

Da die Inflation zu großen Teilen von importierten Gütern ausgeht, ist die unmittelbare Handhabe zur Bekämpfung der Ursachen für die Preissteigerung gering. Mittelfristig hilft in diesem Fall nur die völlige Unabhängigkeit von fossilen Energieträger-Importen durch die Umstellung auf Erneuerbare Energien.

In der aktuellen europäischen Situation wenig sinnvoll sind voreilige geldpolitische Maßnahmen wie Erhöhungen des Leitzinssatzes der Europäischen Zentralbank. So ein Schritt wäre nur angebracht, wenn das Preisniveau allgemein durch zu hohe Nachfrage steigen würde, und nicht im Falle von hohen Energiekosten und Lieferengpässen.  Eine Zinserhöhung könnte stattdessen zu niedrigen Investitionen, einem gesamtwirtschaftlichen Abschwung und höherer Arbeitslosigkeit führen, genau das Gegenteil von dem, was wir nach der Krise brauchen.

Was man in der aktuellen Situation jedoch tun kann und sollte, ist, die Auswirkungen der hohen Energiepreise für die Menschen abzufedern. Berechnungen der Arbeiterkammer zeigen, dass ein durchschnittlicher Haushalt mit Mehrkosten in Höhe von 1.400 € im Jahr konfrontiert ist. Die bisher beschlossenen Maßnahmen der Bundesregierung in Form der beiden Antiteuerungs-Pakte sind aktuell nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Es gäbe eine Reihe von wirkungsvollen Maßnahmen, die man setzen könnte:

 

  • Eine temporäre Senkung der Steuern auf Energie und Treibstoffe würde eine unmittelbare Entlastung bedeuten.
  • Genauso würde die Halbierung oder Streichung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel für die Dauer der starken Preissteigerung die wöchentlichen Einkäufe der Haushalte spürbar erleichtern.
  • Ein Preis-Deckel auf den Grundverbrauch bei Energie würde übermäßigen Verbrauch nicht fördern und könnte die Energiekosten für die Haushalte spürbar verringern. Die Europäische Kommission erwägt solche Maßnahmen selbst in ihrem gemeinsamen Vorgehen zur Energiekrise
  • Die Reformierung des Pendlerpauschales in einen kilometerabhängigen Absetzbetrag würde zu einer faireren Abgeltung der Kosten für den Arbeitsweg führen. Die aktuelle Ausgestaltung als Freibetrag bevorzugt Besserverdienende deutlich. Das wird durch die geplante temporäre Erhöhung nochmals verstärkt.
  • Maßnahmen zur Abfederung der Kalten Progression: In Zeiten hoher Inflation könnten selbst Lohnerhöhungen, welche aufgrund der Inflation reale Verluste bedeuten, dazu führen, dass man in eine höhere Lohnsteuerstufe eintritt und mehr Lohnsteuer zahlt. Eine Anhebung der ersten beiden Progressionsstufen würde eine breite Entlastung bedeuten. Zusätzliche Maßnahmen für kleine Einkommen sind jedoch notwendig, denn diese haben von dieser Anpassung wenig.  
  • Einmalzahlungen in einer Höhe, welche einen Großteil der Preissteigerungen abdecken wären eine weitere Option zur raschen Entlastung. Um einen sozialen Ausgleich herzustellen, könnten solche Einmalzahlungen gemeinsam mit anderem Einkommen besteuert werden, damit Niedrigverdienende einen größeren Anteil erhalten.  
  • Zur Finanzierung von solchen Maßnahmen könnte eine temporäre Besteuerung der Übergewinne im Energiesektor („Windfall-Profit Taxation“) einen erheblichen Beitrag leisten. Laut Internationaler Energie Agentur  fallen in der EU 200 Mrd. € an diesen Übergewinnen an. Auch das ist ein Vorschlag, den die Europäische Kommission unterstützt.

 

 

 

Als Gewerkschaft werden wir weiterhin reale Lohnzuwächse erkämpfen, so wie uns das auch in den letzten 25 Jahren gelungen ist.

 

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